Der Chirurg von Campodios
Seiten ausbreiteten.
Marou kicherte glucksend. Es hörte sich an, als würde eine kochende Suppe Blasen schlagen. »Jaja, ich bin nicht die Schlankste, das hast du richtig erkannt! Ich bewege mich nur, wenn’s unbedingt sein muss. Aber es muss selten sein, das kann ich dir versichern, denn die Leute, die etwas von mir wollen, kommen zu mir. Geradeso wie du. Wie also ist dein Name und was ist dein Begehr?«
»Mein Name ist Francisca Hoyelos«, antwortete Francisca, die Mühe hatte, eine unbefangene Miene aufzusetzen. »Ich kenne eine gewisse Doña Inez, die mir Euren Namen nannte.«
»… die mir deinen Namen nannte.«
»Äh …?«
»Du kannst mich ruhig duzen, ich duze dich ja auch. Sag also: ›… die mir deinen Namen nannte‹.«
»Ach so, ja, gern … Marou.«
»Das klingt schon besser. Wir sind schließlich unter uns. Nicht wahr, Canalla?« Bei diesen Worten flatterte ein Trogon heran, und Francisca erschrak fast zu Tode. Sie hatte den farbenprächtigen Vogel zwar auf seiner Stange sitzen sehen, aber angenommen, er sei ausgestopft. Canalla landete mitten auf Marous Kopf, schüttelte sein Gefieder und verfiel wieder in dieselbe Starre, die er schon zuvor eingenommen hatte.
Marou sagte: »Ich kenne keine Doña Inez, jedenfalls keine, die sich mir unter diesem Namen vorgestellt hat. Aber ich weiß, welche Dame du meinst. Ich weiß immer alles.« Sie lachte glucksend. »Und ich weiß auch, dass du mir deinen richtigen Namen genannt hast. Und nun sage mir, warum du dich so nach einem Kind sehnst.«
»Ja, ich weiß nicht. Es war schon immer so. Und es ist auch jetzt noch so.«
»Erzähl mir alles über dich. Nur wenn ich alles weiß, kann ich dir helfen. Anderenfalls musst du wieder gehen.«
»Um der barmherzigen Mutter willen, nein!« Das wollte Francisca auf keinen Fall, und deshalb erzählte sie ausführlich von sich und Jaime, von ihrem Leben und von ihrem Alltag. Sie ließ sich Zeit, und Marou hörte zu.
Als Francisca geendet hatte, sagte die Heilerin einige Zeit nichts. Dann befahl sie plötzlich: »Schieb die Bank dort zu mir herüber und leg dich nackt darauf.«
»Nackt?«
»Ja, nackt. Ich will mir ein Bild von deinem Körper machen.«
Widerstrebend gehorchte Francisca. Sie war es nicht gewohnt, sich vor einem anderen Menschen auszuziehen, das galt sogar für Jaime, ihren Mann. Wenn er bei ihr lag, trug sie grundsätzlich ein züchtiges Nachtgewand, das sie auch während des ehelichen Verkehrs nicht ablegte. Die körperliche Vereinigung durfte nicht in Fleischeslust ausarten und diente einzig und allein der Fortpflanzung.
»Zieh die Bank noch näher, so, dass mein ausgestreckter Arm dich überall erreicht. Nun leg dich rücklings hin.«
Endlich lag Francisca und starrte an die rußgeschwärzte Decke aus Riedgras.
»Meine Hand wird dich jetzt untersuchen. Hab keine Angst.«
Ein Gebilde wie ein Fleischball, aus dem fünf Finger hervorstachen, näherte sich Francisca und legte sich zunächst auf ihre Stirn. Nachdem sie eine Zeit lang dort verweilt hatte, sagte Marou: »Ich spüre die Größe deines Kinderwunsches, er teilt sich mir unmittelbar mit.«
Die Hand wanderte weiter, zog die Augenlider auseinander, öffnete die Lippen, zog die Zunge hervor und drückte sie wieder zurück.
»Vielleicht wunderst du dich über mich und das, was ich mache«, sagte Marou beiläufig, »aber die Gebärmutter ist ein lebendes Wesen, das nur dann nach der Kindeszeugung begehrt, wenn seine Umgebung gesund ist.«
Francisca hielt den Atem an. Niemals zuvor hatte sie etwas Derartiges gehört.
Die Hand wanderte weiter. Sie strich über den Hals, drückte dort auf Kehlkopf und Schilddrüsen, befühlte anschließend die schweren Brüste, die durch Franciscas liegende Position zur Seite abgeglitten waren, untersuchte die Brustwarzen, drückte auf Milz und Leber, nahm alsdann ein Stück Bauchhaut zwischen die Finger, zog es hoch, um es kurz danach wieder loszulassen und die verbliebene Faltigkeit zu registrieren, prüfte lange den Puls an beiden Handgelenken und schließlich die Straffheit der Ober- und Unterschenkel. »Für das Wohlbefinden der Gebärmutter ist alles von Bedeutung«, erklärte Marou. »Jede Einzelheit der Organe: ihre Lage, Farbe, Gestalt, Größe, Härte, Weichheit, Glätte und vieles mehr.«
»Und? Bin ich gesund genug für die Gebärmutter?«
»Nicht so schnell. Erst kommt noch das Wichtigste.« Marou legte ihre Hand auf die Stelle zwischen Schamhaar und Nabel. »Ich muss fühlen, was deine
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