Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Gebärmutter spricht.«
    »Meine Gebärmutter spricht? Bei allen Heiligen! Was spricht sie denn?«
    »Sie teilt meiner Hand durch Ströme mit, ob sie zur Kindeszeugung bereit ist. Wenn ja, wirst du mit meiner Hilfe bald guter Hoffnung sein. Wenn nein, lässt sie mich wissen, woran es ihr fehlt.«
    »Aber warum …«
    »Schweig! Und lass mich hören.« Marou schloss die Augen. Geraume Zeit verging. Francisca wurde es langsam kalt. Plötzlich spürte sie, wie Marous Hand zu zittern begann.
    »Jetzt spricht sie! Jetzt!«, stieß die Heilerin hervor. Sie versetzte ihre Hand in kreisende Bewegung. »Ja, ich höre, ich höre, ich höre!«
    Francisca konnte nicht mehr länger an sich halten. »Was hörst du? Um der Seligkeit der gebenedeiten Mutter willen, was hörst du?«
    Marou öffnete die Augen, atmete tief durch und zog ihre Hand fort. »Die Gebärmutter hat gesprochen. Sie sagt mir, dass ihre Umgebung gesund ist. Aber sie muss in deinem Körper umherirren, weil ihr Verlangen nach Kindeszeugung nicht gestillt wird.«
    »Aber was soll ich denn tun?«
    »Was hast du denn bisher getan?«
    »Was ich getan habe? Oh, wenn du wüsstest, Marou, wie oft ich die Heilige Mutter um ein Kind angefleht habe, wie viele Kerzen ich in der Kirche angezündet habe und wie viele Gebete ich an Jesum Christum unseren Herrn gerichtet habe! Mehr als ich hat wohl keine Frau je für ein Kind getan.«
    »Hattest du über diese zweifellos wichtigen Bemühungen hinaus auch Verkehr mit deinem Mann?«
    Francisca stockte. Dann sagte sie verschämt: »Ja, denn es muss ja sein.«
    »Wie oft im Monat?«, bohrte Marou weiter.
    Francisca war das Gespräch sichtlich peinlich. »Einmal, höchstens zweimal. Als fromme Christin achte ich darauf, dass die Fleischeslust nicht überhand nimmt.«
    Marou schwieg. Dann griff sie hinter sich und holte einen Glashafen mit rötlichem Inhalt hervor. »Diese Salbe streichst du dir morgens, bevor du dein Tagewerk beginnst, auf den Schamberg. Verteile sie gut und nimm jeweils wenig. Sie besteht unter anderem aus Talg, Rindermark, Bockshornkraut, Malve und Hennaöl. Die genaue Zusammensetzung werde ich dir selbstverständlich nicht verraten. Bedenke auch, dass die Salbe an deinen unreinen Tagen nicht anzuwenden ist, sonst aber regelmäßig. Wenn du dich daran hältst, wird sie die Gebärmutter veranlassen, ihr Umherirren aufzugeben, was eine Zeugung vereinfacht.«
    Francisca nahm, atemlos vor Freude, das Töpfchen entgegen. »Des Himmels Segen über dich, Marou! Ich werde heute Abend ein Dutzend Ave-Maria in der Kirche für dich sprechen.«
    Die Heilerin zog eine Augenbraue hoch. »Vielleicht wäre es besser, du bliebst heute Abend daheim. Du kannst dich übrigens wieder anziehen.«
    Als Francisca angekleidet war, sagte Marou: »Neben der Beruhigungssalbe für die Gebärmutter habe ich hier noch zwei Wurzeln der Mandragora; viele kennen sie auch unter dem Namen Alraune. Sieh!«
    Francisca erblickte zwei Wurzeln von menschenähnlicher Form, kaum größer als ein Mittelfinger. Die eine war als Männchen gekleidet und trug feuerrote Hosen und ein grünes Wams; das Weibchen hatte ein violettes Kleid an. »Sind die allerliebst!«, entfuhr es ihr. Sie wollte nach ihnen greifen, doch Marou zog ihre Hand zurück.
    »Die Figuren sind nicht zum Spielen gedacht. Ihnen wohnt göttliche Kraft inne. Lege sie in deinem Schlafgemach ab, und zwar am höchsten Punkt. Vielleicht auf einem Schrank oder auf einer Anrichte. Es kann auch ein hoher Mauersims sein. Ordne die Figuren so, dass die weibliche unten liegt und die männliche darüber. Ich denke, du kennst die Stellung. Wenn das geschehen ist, schwöre bei Gott dem Allmächtigen, dass du sie niemals wieder anrühren wirst. So lange nicht, bis das Männchen von selbst vom Weibchen gestiegen ist.«
    »Ja, aber …« Francisca betrachtete scheu die Puppen. »Und ich? Was soll ich denn dabei tun?«
    »Du wirst, solange das Männchen auf dem Weibchen liegt, jeden Abend Verkehr mit deinem Mann haben, in eben dieser Stellung. Außer an deinen unreinen Tagen, versteht sich.«
    »Aber, aber … die Fleischeslust?«
    Marou grinste innerlich. »Ich bin überzeugt, du hast dich so in der Gewalt, dass du dabei keinerlei Lust verspürst.«
    »Ja, natürlich, selbstverständlich! Aber das Püppchen, ich meine das Männchen, es wird doch niemals von dem Weibchen steigen, jedenfalls nicht von allein?«
    »Wenn es dem Allmächtigen gefällt, wird es das tun. Genauso, wie du schwanger werden wirst.«

Weitere Kostenlose Bücher