Der Chirurg von Campodios
Marou übergab die beiden Puppen an Francisca. »Gehe sorgfältig mit ihnen um. Es gibt nicht viele Alraunen mit derartiger Wirkkraft.«
»Danke, oh, danke, Marou!« Tränen der Freude liefen Francisca über die Wangen, während sie die Püppchen genau in Augenschein nahm. Dann küsste sie jedes mit geschlossenen Augen und murmelte ein stummes Gebet. Doch jäh wurde ihre Andacht unterbrochen, denn mit einem heiseren Laut war Canalla von Marous Kopf aufgeflattert. Er flog haarscharf an Francisca vorbei zu seiner Stange zurück.
Die Heilerin kicherte glucksend. »Der gute Canalla hat ein sicheres Gespür dafür, wann meine Behandlungsstunde zu Ende geht und die Bezahlung ansteht.« Sie streckte ihre Patschhand aus. »Ich bin nicht billig. Für meine Dienste erwarte ich ein Goldstück von dir, aber kein kleines, keinen Escudo und erst recht keinen Escudillo. Ich will eines mit dem Gesicht zweier Herrscher. Du weißt schon, was ich meine.«
»Du meinst eine Golddublone?« Francisca verschlug es den Atem. Das war mehr, als Jaime und sie in Monaten verdienten.
»Eine ganze Golddublone. Und keinen Maravedi weniger.« Die Patschhand war unverändert ausgestreckt. »Wie ich sehe, hast du keine. Dann gib mir zehn der Silberbroschen von deiner Bluse.«
»Ja, Marou.«
Franciscas Freude über ihre baldigen Umstände war ein wenig getrübt.
Am selben Abend, als Jaime nach einem guten Mahl ermattet auf sein Lager sinken wollte, wurde er von der ungewohnten Verhaltensweise seiner Frau überrascht. Sie trug im Gegensatz zu sonst kein hochgeschlossenes Nachtgewand, sondern, zu seinem großen Erstaunen, nichts. Noch mehr staunte er, als seine Frau ihm zu erkennen gab, dass sie außer der Reihe mit ihm schlafen wollte. Und geradezu sprachlos war er über die Leidenschaft, mit der sie sich ihm hingab.
Als es vorbei war und sie wieder nebeneinander lagen, beugte Francisca sich zu ihrem Mann hinüber und küsste ihn auf den Mund. »Wir werden ein Kind haben, Jaime.«
»Ein Kind? Das haben wir uns schon so oft gewünscht, und nie hat es geklappt.«
»Diesmal wird es so sein.«
»Wenn du meinst.« Er schlief schon halb.
»Ja, das meine ich. Wir werden ein Kind haben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich habe mir alles überlegt. Wenn das Kind erst da ist, wird es eng in unserer Hütte werden.«
»Hm, hm.«
»Und für Chica wird kein Platz mehr da sein.«
»Wie? Was?« Jaime wurde wieder wach. Er fühlte sich verantwortlich für das Mädchen, und überdies mochte er es, auch wenn es stets verhüllt war und keinen Ton herausbrachte. »Aber wo soll Chica denn hin?«
»Wir geben sie zu Achille.«
»Was? Zum kuriosen Achille?«
»Genau zu dem. Ich weiß, dass er gerade wieder eine Magd für den Ausschank sucht. Gleich morgen gehe ich zu ihm.«
»Wenn du es sagst, wird es so sein.«
Der Cimarron Okumba
»Die Spanier haben Männer von beispielloser Tapferkeit in ihren Reihen, doch ist die Tapferkeit der Cimarrones ungleich höher einzuschätzen. Denn unsere Männer kämpfen für die Freiheit, die Dons dagegen nur für Gold.«
S eit Stunden arbeiteten sie sich mühsam durch die grüne Hölle des Urwalds. Der Pfad, auf dem sie vorwärts schritten, war kaum erkennbar und stellenweise gänzlich überwuchert von Blattwerk und Schlingpflanzen. Dann und wann blitzte durch das Unterholz der Bach auf, nach dessen Lauf sie sich richteten. Es war heiß und unbeschreiblich schwül. Der Schweiß lief ihnen in Strömen über das Gesicht, und es gab keinen Faden, der ihnen nicht am Leibe klebte.
Sie gingen hintereinander. Vorn der junge Hewitt, der das Bündel mit Haffs Schwertern und Degen trug. Dahinter, seiner schwachen Augen wegen, der Magister. Er schleppte die Wasservorräte und einige andere Habe. Es folgte Enano, der als Kleinster noch am ehesten unter allen Hindernissen hindurchschlüpfen konnte. Den Schluss bildete Vitus, der einen Fellsack geschultert hatte – ein weiteres Geschenk von Haff, in dem sich Nahrungsvorräte, Stouts Tagebuch mit Tinte und Feder, das Messer von der
Albatross
, Pulver und Munition und einiges andere befanden.
Vitus trug außerdem seinen neuen Degen und eine Radschlossmuskete, geladen und feuerbereit, denn er sicherte die Gruppe nach hinten ab.
»Wenn ich doch nur wieder ein neues Nasengestell hätte!«, keuchte der kleine Gelehrte. »Ohne meine Berylle sehe ich nur eine wabernde grüne Masse. Bei jeder Liane denke ich, es ist eine Baumschlange.«
»’ne Hutsche auf’m
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