Der Chirurg von Campodios
boca!
«
Ein anderer Schwarzer, der sich an Hewitts Bündel zu schaffen machte, stieß einen überraschten Ruf aus: »Hoa, hoa, Dongo! Hier drin stecken viele gute Stahlklingen. Sieh dir das an!« Sein Spanisch war wesentlich besser.
»Später kucken!« Der mit den harten Augen bückte sich, hob Vitus’ Degen auf und steckte ihn zu den anderen im Bündel. »Nix jetzt. Erst fesseln!«
Ein paar der Krieger lösten sich aus dem Kreis und banden den Freunden die Hände auf den Rücken.
Vitus versuchte es erneut: »Das Ganze muss ein Irrtum sein. Wir sind friedliche Reisende, die nach Nombre de Dios wollen!«
»Pah, Nombre de Dios!« Dongo spie den Namen förmlich aus. »Grube von Schlangen! Voll Spanier!
Bribónes, ladrónes, asesinos!
Du gehen Nombre de Dios? Ich dich gleich töten!«
Doch ehe er seine Drohung wahrmachen konnte, wurde er von dem neugierigen Schwarzen, der weiter in Hewitts Bündel gekramt hatte, unterbrochen:
»Hoa, Dongo! Es sind Klingen von Haff, dem Schmied. Ich sehe es an den Buchstaben im Stahl!«
Dongos harte Augen wurden womöglich noch härter. Er schoss vor, packte Vitus am Wams und hob ihn ein paar Zoll in die Höhe. »Du geklaut! Du von Haff geklaut. Was du gemacht mit Haff? Du ihn getötet! Du sagen! Sofort! Ich dich töten, ich alle töten!«
Jetzt wurde es Vitus endgültig zu bunt. Die körperliche Berührung durch den Schwarzen und die wenig gute Figur, die er dabei abgab, taten ein Übriges: »Seid ihr denn alle von Gott verlassen?«, schrie er Dongo mitten ins Gesicht. »Wir sind friedliche Reisende! Wir kommen von Haff, der unser Freund ist. Er bat uns, die Waffen für ihn mitzunehmen und bei Okumba abzuliefern, dem Häuptling der Cimarrones.«
Sowie Vitus den Namen Okumba ausgesprochen hatte, löste Dongo seinen eisernen Griff. »Du zu Okumba? Du Okumba kennen?«
»Nein, ich kenne ihn nicht.«
»Du ihn nicht kennen?« Sofort verfinsterte sich Dongos Gesicht wieder.
»Nein, keiner von uns kennt Okumba. Aber wir haben Waffen für ihn von Haff. Haff ist unser Freund, versteht ihr? Unser Freund!« Vitus kam sich vor, als redete er auf einen kranken Gaul ein.
Der Neugierige, der die Degen und Schwerter aus Hewitts Bündel hervorgezogen hatte, kam Vitus zu Hilfe: »Was der Fremde sagt, kann stimmen, Dongo. Seine Version ist genauso wahrscheinlich wie deine.«
Der Magister mischte sich ein. Er krächzte: »Der Mann hat Recht!
In dubio pro reo!
Im Zweifel für den Angeklagten! Schon mal was davon gehört, die Herren?«
Dongo schien gar nichts mehr zu verstehen, weshalb ihm der sprachgewandte Neugierige noch einmal alles erklärte. Er tat es in einem unbekannten Dialekt, von dem Vitus annahm, dass es ein afrikanischer war.
Endlich nickte Dongo dem Neugierigen widerwillig zu. »Gut, Moses, ich einverstanden. Okumba entscheiden! Abmarsch Okumba,
rápido!
«
Sie saßen auf dem Stamm eines gefällten Blauholzbaums, den man an den Rand eines freien Platzes gezogen hatte. Es musste eine Art Versammlungsplatz sein, denn der Boden war von unzähligen schwieligen Füßen steinhart gestampft. Am Rande des Platzes, weitläufig verteilt, standen an die dreißig Holzhütten und davor, alles beherrschend, ein stattliches Haus mit Riedgrasdach. Es war das Quartier von Okumba, gleichzeitig das Herz der Siedlung und Ort der Gerichtsbarkeit, wie Moses den Freunden erklärt hatte, bevor er und Dongo darin verschwunden waren.
»Wir werden euch Okumba ankündigen«, hatte Moses ihnen vorher noch zugerufen. »Er wird das Urteil sprechen, das über euer weiteres Los entscheidet.«
Mittlerweile waren Stunden vergangen. Sie saßen noch immer auf dem Stamm, scharf bewacht von einem halben Dutzend finster dreinblickender Cimarrones, die jeden ihrer Versuche, aufzustehen oder sich die Beine zu vertreten, unmissverständlich mit der Waffe unterbanden. Dabei war an Flucht ohnehin nicht zu denken, denn sie waren nach wie vor an den Händen gefesselt.
Der Abend brach bereits herein, im Gegenlicht der untergehenden Sonne flogen große Vögel herbei, kreisten in Schwärmen über den Bäumen des Regenwaldes und ließen sich flatternd auf ihren Schlafplätzen nieder.
Auch Hewitt und der Zwerg waren schläfrig. Immer wieder fiel ihnen der Kopf auf die Brust. Der Marsch durch den Urwald war für ihre kaum genesenen Körper eine harte Belastung gewesen.
Ein großes Insekt mit blau schimmernden Flügeln kam langsam herangesummt und setzte sich auf des Magisters Stirn. »Autsch!« Ohnmächtig, es mit den
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