Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Gespräche wurden lautstark geführt, Zoten und Witze gerissen, und in einer Ecke sang jemand schwermütig ein Lied. Über alles hinweg tönte die Fistelstimme des Zwergs: »Dullen Tag, ihr zwo!«, rief er fröhlich, während er ohne Pause Soße und Fleischbrocken aus einer großen Holzschüssel in sein Fischmündchen schaufelte. »Ein Ohrhansel Gelbling gefällig? Wui, ich stech euch einen!«
    »Ein Bier? Warum nicht.« Die beiden zwängten sich neben ihn auf die Bank, holten ihre Löffel hervor und begannen übergangslos zu essen – die sicherste Methode, genügend abzubekommen, wenn der Zwerg mit am Tisch saß.
    Als der erste Hunger gestillt war, legte der Magister seinen Löffel zur Seite und nahm einen Schluck Bier aus dem Humpen, den eine der Mägde unterdessen gebracht hatte. »Sag mal, Vitus«, hob er an, »wieso hast du Enano und mich eigentlich so schnell gefunden?«
    »Ganz einfach, ich kenne euch doch«, lächelte Vitus. Er nahm ebenfalls einen Schluck Bier, allerdings einen kleinen, denn er wollte einen klaren Kopf behalten. »Als ich von Banesters Haus zurückkam und euch nicht vorfand, habe ich mir gleich gedacht, dass ihr zur Themse hinunter seid, weil da mehr Trubel ist. Und wie ihr seht, hatte ich Recht.«
    »Das hattest du. Dein Riecher war Gold wert.« Der Magister aß bereits wieder.
    »Wui, wui!«, bestätigte der Zwerg.
    Schweigend schmausten sie eine Zeit lang weiter, bis die große Holzschüssel fast geleert war. Dann ergriff der Magister einen Kanten Brot und wischte damit akribisch den Boden aus. »Es ist fast wie damals bei den Gauklern«, grunzte er zufrieden, »da hatten wir auch immer so leckere Eintöpfe. Weißt du noch, Vitus?«
    »Hm, klar.«
    »Weißt du auch noch, wie Arturo eines Tages die Flusskrebse anschleppte, die der Quacksalber Bombastus Sanussus ganz alleine auffressen wollte?«
    »Ja, es war eine schöne Zeit. Und Arturo war ein guter Freund.«
    »Und ein erstklassiger Fechtmeister dazu. Wenn er dir seine Kunst nicht so gut beigebracht hätte, dann …« Unvermittelt brach der kleine Gelehrte ab, denn ihm war etwas eingefallen: »Sag mal, du Zwerg, wo hast du eigentlich den Hund von diesem Pigger gelassen?«
    »Den Beller? Wui, den hab ich ’nem greisen Muttchen gestochen!« Der Winzling hob mit beiden Händchen seinen Bierhumpen an und nahm den letzten Schluck.
    »Bist du verrückt? So ein Kampfhund ist doch viel zu gefährlich für eine alte Frau!«
    »Iwo, der Altrischen passiert nix. Hab mit dem Beißer gesprochen. Hat die Lauscher aufgemacht, der Bullich, un kapiert, was Enano will. Soll seine Spählinge aufs Muttchen halten, un er wird’s tun. Dafür hattse mir’n paar Mücken geschuckt. Hätt sonst wohl keinen Gelbling geschmettert!« Das Männchen guckte Vitus und den Magister spitzbübisch an.
    Vitus lachte. »Danke für das Bier, Enano.« Er stand auf und rückte seinen Degen zurecht. »Ich fürchte, ich muss dich und den Magister noch mal allein lassen.«
    »Wiewo?«
    »Nun, ich hatte auch gedacht, spätestens heute Mittag sei es mit der Prüfung vorbei, aber das war ein Irrtum. Die gestrengen Herren beabsichtigen, mich noch weiter zu prüfen.«
    »Was, noch mehr?« Der Magister blinzelte erschreckt hinter den Beryllen seines Nasengestells. »Ich wette, sie haben dich heute Morgen schon gehörig ausgequetscht.«
    »Wie einen Apfel beim Mosten. Aber jetzt will ich den letzten Teil auch noch hinter mich bringen. Passt auf euch auf, während ich weg bin, und haltet eure Zunge im Zaum. Adios, Freunde!« Gewandt schlüpfte Vitus zwischen den Leibern der Zecher hindurch zum Ausgang.
    »Adios.« Der Magister schürzte die Lippen. »Haltet eure Zunge im Zaum! Wie das der Herr Cirurgicus wohl meinte? Recht muss immer noch Recht bleiben, und Unrecht muss beim Namen genannt werden, da beißt die Maus keinen Faden ab, was, Enano?«
    »Wui, wui, gewisslich doch, gewisslich.«
     
    Banester saß allein am schweren Eichentisch im Examiniersaal und vetrieb sich die Wartezeit, indem er versuchte, drei Finger gleichzeitig in die Trepanationslöcher des Totenschädels zu stecken. Er fühlte sich mehr als gesättigt, denn er hatte ein üppiges Mahl hinter sich, unter anderem bestehend aus Wachteln vom Bratspieß, Wildschweinpastete, Käse, Obst und Bier. Zum krönenden Abschluss hatte es noch ein paar lecker gewürzte Oblaten gegeben – von seiner Köchin frisch mit dem Waffeleisen gebacken.
    Kein Wunder, dass Clowes und Woodhall, die kräftig mitgehalten hatten, sich erst

Weitere Kostenlose Bücher