Der Chirurg von Campodios
einmal bemüht worden waren. Der Kutscherjunge hatte Order, am nächsten Morgen in aller Frühe vorzufahren und die Freunde zur
Boisterous
zu bringen.
»Ich hoffe nur, Arlette kommt mit ihrem Zimmer zurecht«, sagte Vitus. Er saß, wie auch der Magister und der Zwerg, splitternackt in einem Waschzuber. Arme und Beine hingen über den Rand, während ihm das warme Wasser bis zum Hals reichte.
»Vielleicht badet sie ja auch«, brummte der kleine Gelehrte, der sich gerade kräftig einseifte. »Man kann dem Laden hier nachsagen, was man will, aber an heißem Wasser mangelt es nicht.« Er gab das Stück Seife an Vitus weiter.
»Danke, Magister.«
»Wui, wui, der Gänsewein tut gut.« Der Winzling pfiff vergnügt und ließ einen Wind fahren. Es gab ein blubberndes Geräusch, als die Blasen aufstiegen und an der Wasseroberfläche zerplatzten. »Hi, hi!«
»Muss das sein?«, schimpfte der kleine Gelehrte. Er hielt sich eine Kanne Wasser über den Kopf, um sich den Schaum vom Körper zu spülen. »Dein Benehmen, Zwerg, lässt sehr zu wünschen übrig.«
»Wui, wui, hi, hi.«
»Ich komme mir vor wie eine Schildkröte, die auf dem Rücken liegt«, sagte Vitus, obwohl er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Was Arlette wohl gerade tat? Er musste daran denken, dass er sie, trotz der zärtlichen Umarmung auf der Laufbrücke der
Boisterous
, noch nicht einmal geküsst hatte. Zu viele Gaffer waren um sie herum gewesen. Zu viele Gaffer? Oder hatte er sich womöglich nur nicht getraut? Vielleicht. Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er es nachholen würde. Das und mehr … Aber wann?
Der Magister gähnte herzhaft. »Ich glaube, ich begebe mich in Morpheus’ Arme.« Der kleine Mann stieg aus dem Zuber, trocknete sich ab und kroch, nackt wie er war, unter die Decke seines Lagers. »Wozu soll ich mich anziehen? Das kann ich morgen früh noch tun.«
»Ich bin auch müde«, sagte Vitus, obwohl er sich keineswegs so fühlte. Er entstieg ebenfalls der Wanne, trocknete sich ab und fischte ein frisches Hemd aus Taggarts Seekiste. Es widerstrebte ihm, schmutzige Kleider über seinen gesäuberten Körper zu ziehen. Dann ging er zum Zwerg hinüber, half dem Winzling auf die Beine und rubbelte ihn ab. Enano war so klein, dass er dazu die unbenutzte Ecke seines Trockentuchs nehmen konnte.
»Gramersi, Vitus.«
»Gern geschehen, mein Freund.«
Beide suchten ihr Lager auf, und alsbald hörte Vitus nur noch die regelmäßigen Atemzüge des Winzlings, unterbrochen vom Schnarchen des Magisters.
Er selber bekam kein Auge zu. Er lauschte gespannt hinüber zum anderen Zimmer. Nichts. Ob sie schon schlief? Die Wände waren dünn wie Pergament, irgendetwas musste doch zu hören sein! Doch da war nichts. Nur die üblichen Geräusche des nächtlichen Habana. Er löschte das Öllämpchen neben sich, in der Hoffnung, die Dunkelheit würde ihn schläfrig machen. Das Gegenteil war der Fall. Die Finsternis erinnerte ihn an die Nacht im Escargot, als er mit Louise … Und Louise war Arlette gewesen. Er hatte damals mit Arlette geschlafen. Herrgott im Himmel, wenn er das geahnt hätte!
Was sie sich wohl dabei gedacht hatte, als sie ihn mit in ihre Kammer nahm? Sie war so verzweifelt gewesen. Und so leidenschaftlich … Warum hatte sie sich nicht zu erkennen gegeben? Ob sie wirklich eine Hautkrankheit gehabt hatte? Alles an ihr hatte er berühren und liebkosen dürfen, nur nicht ihr Gesicht. Er merkte, wie sein Schaft hart wurde, und lauschte abermals nach drüben. Nichts.
Der Zwerg und der Magister schliefen weiter den Schlaf der Gerechten. Nur er lag wach. Und hatte Sehnsucht. Vielleicht wartete sie auf ihn? Ohne sich zu besinnen, erhob er sich, schlüpfte hinaus auf den Gang und stand vor ihrer Tür.
Da verließ ihn der Mut.
Wenn er nun nicht willkommen war? Andererseits hatte sie ihn im Escargot mit in ihre Kammer genommen, und sie hatte gewusst, wer er war. Also liebte sie ihn doch? Und wenn das so war, sehnte auch sie sich vielleicht nach ihm? Er holte tief Luft und klopfte leise.
»Ja?«
Das war ihre Stimme. Zu seiner großen Erleichterung klang sie weder reserviert noch erschreckt. Eher überrascht und – erwartungsfroh? Er drückte die Klinke herunter und trat ein. »Ich … ich … habe dich noch gar nicht geküsst«, stammelte er.
Sie lag halb aufgerichtet in ihrem Bett, das Gesicht von einer Kerze erhellt. »Das stimmt«, lächelte sie, und ihr Lächeln wurde zu einem Strahlen, das für ihn schöner war als alle
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