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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dem Bristol Channel hereinfegt! Erlaube mir, dass ich dir die anderen drei unserer Gruppe vorstelle. Dies hier ist Enano der Zwerg, bewandert in den Künsten der Elixier- und Arcanumherstellung, der junge Bursche dort ist Keith und der Letzte ist Wat, ein Freund von Keith.«
    Polly nickte den Männern zu, wobei ihr Blick etwas länger an dem Zwerg haften blieb. »Hast du die Kriegskasse schon von Geburt an, Kamerad?« fragte sie. In ihrem Ton lag weder Herablassung noch Hohn, nur freundliches Interesse, wie eine gute Wirtin es ihren Gästen schuldet.
    »Wui, wui, Frau Zapfhenne! Grad so, wie dir die Backen festgewachsen am Gesess.«
    Polly schmunzelte. »Bist nicht aufs Maul gefallen, Enano.« Sie wandte sich wieder an Vitus. »Du verstehst dich auszudrücken, Gabriel. Männer wie du kommen nicht oft in meinen Laden, deshalb noch mal die Frage, denn so schnell lass ich nicht locker: Was treibt dich und deine Leute so spät noch hierher?«
    »Wir sind vorhin erst in Plymouth eingetroffen, Polly. Und wir wollten eine Herberge unmittelbar am Hafen.«
    »Hm.« Polly blickte Vitus forschend ins Gesicht. Dann entschied sie: »Ich glaube dir.«
    »Drei anstrengende Tagesritte liegen hinter uns. Wir kommen aus der Nähe von Worthing, östlich von Portsmouth, und suchen eine Schiffspassage nach Westindien. Doch zuerst brauchen wir etwas zu essen und ein Zimmer für die Nacht.«
    »Ein Zimmer und was zu futtern könnt ihr kriegen. Aber wieso habt ihr’s nicht in Portsmouth versucht, wenn ihr eine Passage in die Karibik wollt, das wär für euch doch viel näher gewesen?« Polly war nicht auf den Kopf gefallen.
    »Es heißt, der Korsar Francis Drake läge hier im Hafen mit einem Verband Schiffe. Und es heißt weiter, er wolle nächster Tage ankerauf gehen und in die Karibik segeln. Ich möchte mit meinen Freunden die Gelegenheit nutzen und mitfahren.«
    »Nun mal langsam und der Reihe nach.« Polly setzte sich, was sie höchst selten tat, zu ihren neuen Gästen. »Dass Drake am 15. November in See stechen will, pfeifen die Spatzen von den Dächern, so viel ist sicher. Dass er in die Karibik segelt, erzählt man sich allerdings nicht, man munkelt, es ginge nach Panama.«
    »Auch das wäre mir recht. Hauptsache, wir sind erst einmal in der Neuen Welt, alles andere wird sich finden.«
    Polly runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass Drake noch Platz für fünf weitere hungrige Mäuler hat, selbst wenn sie dafür zahlen. Seit seiner märchenhaft erfolgreichen Kaperfahrt anno 72 muss er nur mit den Fingern schnipsen, und alle Salzbuckel Englands laufen ihm zu, ohne einen Penny dafür zu verlangen. Mannschaftssorgen kennt dieser Teufelskerl jedenfalls nicht.«
    »Wir sind nur zu dritt. Keith und Wat reiten morgen zurück und nehmen unsere Pferde mit.«
    Polly blickte skeptisch. »Nun ja, ihr müsst’s ja wissen.«
    »Wui, wui, das tun wir, Frau Zapfhenne, un ebenso gewisslich is, dass wir all den Tag Luftklöße und Windsuppe geschnappt haben. Der Speisfang grimmt, wie steht’s mit manschen?« Der Zwerg grinste treuherzig und machte eine unmissverständliche Essbewegung mit seinem Kinderhändchen.
    »Hast Recht.« Pollys mütterliches Herz regte sich. »Ich geh schnell in die Küche und guck, was noch zu beißen da ist.«
    »Knäbbig, knäbbig!«
     
    »Die
Pelican
dürfte von Drakes Schiffen das größte sein«, stellte der Magister fest, nachdem er das aus fünf Seglern bestehende Geschwader kritisch in Augenschein genommen hatte. Es war der Morgen nach ihrer Ankunft im Polly’s Wharf. Der kleine Gelehrte stand mit Vitus und dem Zwerg auf dem Ausrüstungskai und fröstelte in der kaltfeuchten Luft. Um sie herum herrschte, selbst zu dieser frühen Stunde, schon emsiges Treiben. Befehle, Rufe und Pfiffe erklangen. Fässer wurden abgeladen, rumpelnd über das Kopfsteinpflaster gerollt und über einen Kranbalken an Deck gehievt; Seekisten wurden aufs Schiff geschleppt, Ersatzspieren an Bord genommen, Proviant aller Art in den Ladeluken verstaut. Überall wurde geflucht und geschuftet, und es gab kaum einen Platz, an dem nicht noch gemalt, gehämmert, gezimmert und letzte Hand angelegt wurde.
    »Sie hat höchstens hundert bis hundertzwanzig Tonnen«, fuhr der Magister fort, »nicht besonders beeindruckend, wenn man sie mit spanischen Kriegsgaleonen vergleicht, aber immerhin. Ob sie allerdings mit ihren achtzehn Kanonen auf der Reise viel hermachen kann, werden wir sehen – oder auch nicht. Je nachdem, ob der Herr Korsar

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