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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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geruht, uns mitzunehmen.«
    Vitus lachte. Weißer Atem stand ihm dabei vor dem Mund. »Aus dir spricht der Spanier, du altes Unkraut! Ich verstehe ja, dass du auf Drake nicht gut zu sprechen bist, nachdem er die spanischen Schatzgaleonen ausgenommen hat wie eine Festtagsgans, dennoch: Wo bleibt dein Gerechtigkeitssinn? Drake hat nur erbeutet, was deinen Landsleuten ebenfalls nicht gehörte.«
    Der Magister knurrte: »Dass meine Landsleute sich das amerikanische Gold unrechtmäßig anzueignen pflegen, macht Drakes Handlungsweise nicht besser. Diebstahl bleibt Diebstahl, aber lassen wir das. Wir müssen erst einmal feststellen, auf welchem Schiff sich der Herr überhaupt aufhält, immerhin sind da noch die
Elizabeth
und die
Marygold
, nicht zu vergessen die zwei Versorger.«
    »Ein Kommandant dürfte auf seinem Flaggschiff zu finden sein, und das ist die
Pelican
zweifellos, man sieht es an dem bunten Wimpel dort am Mast. Aber vielleicht wissen wir es gleich ganz genau.« Vitus, der an diesem Morgen Kleidung trug, die ihn als Mann von Stand auswies, trat auf eine Kutsche zu, der ein wettergegerbter Seemann schwankend entstieg.
    »Verzeiht, dass ich Euch anspreche, Sir. Könnt Ihr mir sagen, ob der Kommandant Francis Drake sich zur Zeit auf der
Pelican
befindet?«
    »Das wird er wohl.« Der Neuankömmling schnaufte mehrmals. Saurer Weindunst entströmte seinem Mund. »Wenn’s nicht so wär, würd ich jetzt noch bei meiner Hafenschwalbe liegen und nicht an Bord müssen. Drake beordert einen zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten zu sich. Ich bin übrigens Thomas Cuttill, wenn’s beliebt, der Kapitän der
Pelican

    »Sehr angenehm. Mein Name ist Vitus von Campodios. Dürfen wir uns Euch anschließen, Captain? Ich habe etwas sehr Dringendes mit dem Kommandanten zu besprechen.«
    »Warum nicht? Jeder will heutzutage was von Drake. Folgt mir.« Leicht schlingernd bahnte Cuttill sich seinen Weg zum Schiff.
     
    In der geräumigen Kommandantenkajüte von Francis Drake herrschte ein ziemliches Durcheinander: Die in die Innenwand der Steuerbordseite eingebaute Koje war zerwühlt, auf den drei Stühlen davor lag achtlos hingeworfene Kleidung, und aus einer großen, offenen Kiste, deren schwere eiserne Beschläge sie als spanische Schatztruhe auswiesen, starrten Äxte, Entermesser und Piken hervor. An der Backbordwand hing, neben dem Wappen der Königin, auch das von Sir Christopher Hatton mit der goldenen Hirschkuh, und in der Mitte, auf dem alles dominierenden Tisch, türmten sich Stapel von Seekarten, Insel- und Küstensilhouetten, nautischen Tabellen und Plänen von Befestigungsanlagen. Dahinter stand, in Gesellschaft von drei weiteren Männern, »Der Drache« oder
El Dragón
, wie die Spanier Drake nannten.
    Drake war ein Mann von mittelhohem Wuchs, mit energischen Bewegungen und flinken, hellwachen Augen. Er hatte dunkelblondes, lockiges Haar, das er kurz trug und das an den Seiten in einen nachlässig gestutzten Vollbart überging. Die Oberlippe zierte ein prächtiger Knebelbart. »Wer mit mir auf Abenteuer geht«, rief er in diesem Augenblick, während sein Knöchel auf eine Karte des Isthmus von Panama pochte, »wird sein Geld sechs- und siebenfach zurückbekommen …«
    »Da bin ich, Drake«, unterbrach Cuttill, in dessen Fahrwasser Vitus mit eingetreten war. Der Wachtposten vor der Tür hatte nur ihn eingelassen, nicht ohne ihm vorher seinen Degen abzunehmen.
    Drake und die Männer am Tisch blickten auf.
    »Habe hier einen Gentleman«, setzte Cuttill, um Haltung bemüht, hinzu, »der Euch unbedingt sprechen will.«
    »Was Ihr nicht sagt.« Drake schien nicht erbaut über die Unterbrechung.
    »Erlaubt, dass ich mich vorstelle, Sir.« Vitus trat vor und verbeugte sich. »Mein Name ist Vitus von Campodios.«
    »Der meine dürfte wohl bekannt sein«, erwiderte Drake, während er Vitus von oben bis unten musterte. »Hier«, er wies auf einen gut aussehenden, gepflegt gekleideten Mann, »seht Ihr Thomas Doughty, Offizier Ihrer Majestät, Gentleman und Abenteurer in einer Person, daneben meinen jüngsten Bruder Thomas und meinen Vetter John Drake. Thomas Cuttill kennt Ihr ja bereits.«
    Mein Gott, in diesem Raum heißt jeder Zweite Thomas!, schoss es Vitus durch den Kopf, während er seine Gedanken zu ordnen versuchte. »Jawohl. Er war so liebenswürdig, mich mit an Bord zu nehmen. Nun, Sir, ich möchte Euch nicht lange aufhalten. Frank und frei heraus gesagt, ist der Grund meines Besuchs die Bitte an Euch, mich und

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