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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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zu wollen, hatte er einen der Inhalte des Testaments preisgegeben.
    »Gut, wenn dem so ist und wenn im letzten Willen meines Onkels nichts anderes als in seinem Abschiedsbrief steht, denke ich, können wir hier auf die Testamentseröffnung verzichten …«
    »Hier? Wo denkt Ihr hin, junger Herr!« Hornstaples Stimme ließ keinen Zweifel daran, wie unerhört er das eben Gesagte fand. »Ein derart wichtiger juristischer Akt sollte selbstverständlich nicht in diesem Saal, sondern in meiner Kanzlei stattfinden!«
    »Er wird überhaupt nicht stattfinden, Sir, jedenfalls nicht heute Nacht. Denn, freiheraus gesagt, Einzelheiten sind für mich nicht wichtig, ebenso wie sie niemals für Seine Lordschaft von Interesse waren.« Vitus überlegte kurz. »Außerdem werde ich aus Gründen der Zeitersparnis meinen Verwalter Richard Catfield schriftlich bevollmächtigen, damit er alle meine Rechte und Pflichten aus dem Testament wahrnehmen kann.«
    Catfield erhob sich langsam. In seinem Gesicht standen Freude und Überraschung zugleich. »Sir, oh, Sir! Das ist eine große Ehre für mich!« Er verbeugte sich. »Und eine große Verantwortung! Selbstverständlich werde ich alles tun, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.«
    »Ich weiß, dass ich mich auf Euch verlassen kann.«
    »Junger Herr!« Hornstaple erhob sich ebenfalls. Das Gespräch hatte einen Verlauf genommen, den er nicht dulden konnte. Er war es gewohnt, dass man seinen Ausführungen ehrfurchtsvoll lauschte und seine Ratschläge wie Befehle hinnahm. »So geht es wirklich nicht! Es ist in höchstem Maße unangemessen, hier einfach vor Krethi und Plethi zu bestimmen, wer statt Eurer das Testament in die Tat umsetzt! Ich bestehe darauf, dass dies in meiner Kanzlei geschieht! Schriftlich und in der gebührenden Form! Im Übrigen darf ich darauf verweisen, dass ich das Testament selbstverständlich nicht bei mir trage. Als einer der erfahrensten, wohl angesehensten, erfolgreichsten Advocaten Englands versichere ich Euch …«
    »Deforme est de se ipsum praedicare.«
Der Magister hatte lange geschwiegen, doch jetzt war es ihm zu bunt geworden. »Hässlich ist es, von sich selbst rühmlich zu sprechen, oder, wenn Ihr das besser versteht, Herr Kollege: Eigenlob stinkt! Ich bin zwar nur ein kleiner Rechtsgelehrter, erwarb auch nur das Magister-Examen, habe außerdem nur ein Jahrzehnt in La Coruña an der dortigen Privatschule doziert und bin überdies lediglich im spanischen Recht zu Hause, doch so ahnungslos, dass ich nicht wüsste, dass es auch in diesem Land möglich ist, einen Erbbevollmächtigten an beliebigem Ort vor Zeugen einzusetzen, so ahnungslos bin ich nicht.«
    Hornstaples Mund ging auf und zu, während er sich, der Worte unfähig, wieder setzte.
    »Und was heißt überhaupt Krethi und Plethi?« Der kleine Gelehrte kam jetzt richtig in Fahrt. »Seid Ihr Euch eigentlich klar darüber, dass Ihr damit die hier Anwesenden verunglimpft?«
    Vitus ging dazwischen. »Lass gut sein, Magister. Ich möchte keinen Streit, kaum dass mein Onkel tot ist. Herr Advocatus: Ich werde in den nächsten Tagen zusammen mit meinem Verwalter in Eurer Kanzlei erscheinen. Dort mögt Ihr für ihn eine Bevollmächtigung aufsetzen und beurkunden. Ferner bitte ich Euch, Mister Catfields Verwalterkontrakt dahingehend auszuweiten, dass er künftig auch für das Schloss zuständig ist. Bitte bereitet das Dokument entsprechend vor. Die mit der Aufgabenerweiterung verbundene Erhöhung seiner Bezüge wird vor Ort eingetragen.«
    Catfield konnte sein Glück kaum fassen.
    Hornstaple brummte etwas in seinen Bart wie: »Warum nicht gleich so …«
    »Dann wäre das ja geklärt. Gibt es noch irgendetwas, Herr Advocatus?«
    »Nun, ahem.« Hornstaple nestelte umständlich eine kleine Schatulle aus der Rocktasche hervor. »Da Ihr Wert darauf zu legen scheint, alles
coram publico
zu vollziehen, übergebe ich Euch hiermit den Siegelring Seiner Lordschaft.«
    »Ich danke Euch. Ich hatte ihn schon an der Hand meines Onkels vermisst.«
    »Es war der ausdrückliche Wunsch Seiner Lordschaft, dass Ihr den Ring zu jeder Zeit tragt. Das Stück ist Familienbesitz seit vier Generationen, was durch entsprechende urkundliche Erwähnungen ohne weiteres bewiesen werden kann.«
    »Das wird heute Nacht nicht nötig sein.« Vitus nahm den Ring und streifte ihn sich über den Finger. »Nanu! Er passt, als wäre er für mich gemacht!«
    Hornstaple nickte steif. »Nun, in gewisser Weise ist er das auch. Seine Lordschaft vertraute mir

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