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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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das.
    Hätte er ihm sonst am gestrigen Abend die drei Passagiere beschert, die außer dem langen Mönch noch mitreisen wollten? Er hatte jedem von ihnen fünf Pfund für die Überfahrt abgeknöpft und erst unter scheinbarem Sträuben eingewilligt, dem Edelmann Vitus von Campodios zwei Pfund davon zu erlassen, nachdem jener sich bereit erklärt hatte, anzuheuern und während der Überfahrt als Arzt zu arbeiten. Zwei Fliegen mit einer Klappe hatte er so geschlagen: erstens einen Schiffsarzt bekommen und zweitens auch noch Geld dafür kassiert. Alle Wetter! Insgeheim hatte Stout sich gratuliert.
    Immerhin: Später hatte er sich großzügig gezeigt und den drei Neuen die Kammer von Gerald zugewiesen, der zähneknirschend bei Powell, dem Bootsmann, und Ó Moghráin, dem frisch angeheuerten Steuermann, einziehen musste. Da Gerald Offizier war, ging das eigentlich nicht, aber Stout pflegte, wenn er einmal etwas beschlossen hatte, so unnachgiebig zu sein wie eine Gouvernante, die ihre Jungfernschaft verteidigt.
    Der Kapitän schritt nach Luv, seinem angestammten Platz, und beobachtete, wie Powell die Mannschaft an die Brassen pfiff. »Fertig machen zur Halse!«, schrie der Bootsmann über Deck, und die Backbordwache stolperte herbei. Die Männer waren nicht gut im Saft, das sah ein Blinder mit dem Krückstock, doch Stout focht das nicht an. Matrosen jammerten immer, ob mit oder ohne Grund. Sie hatten ihre Arbeit zu erledigen und sonst nichts. Ärgerlich nur, dass so viele wegen Krankheit ausgefallen waren, doch das würde sich bald ändern, dank seines neuen Schiffsarztes.
    Langsam wanderte der Bug der
Gallant
nach Steuerbord aus. Stout sah, wie die Männer sich an den Backbordbrassen zu schaffen machten, mitten unter ihnen der Mönch Ambrosius, der so kraftvoll wie kein anderer zupackte.
    Abermals gratulierte sich Stout. Der Gottesmann war eine unschätzbare Hilfe, obwohl er einen Palstek nicht von einem Trossenstek unterscheiden konnte. Aber wen scherte das schon, solange er eine Spillspake vorwärtsschieben und ein Deck schwabbern konnte! Dasselbe galt auch für die beiden kleinen Neuen, den Magister und den seltsamen Zwerg. Sie hatten ihre Passage zwar voll bezahlt, aber er würde schon Mittel und Wege finden, sie zu beschäftigen.
    Das Manöver war beendet, mehr schlecht als recht, wie Stout zugeben musste, andererseits war man hier nicht auf einem Kriegsschiff, wo alles wie am Schnürchen klappen musste. Worauf es letztlich ankam, war gutes Wetter und guter Wind, und beides würde ihn auch diesmal nicht im Stich lassen. »Mister Gerald!«
    »Aye, Sir!« Der Erste, der gerade die Reparaturarbeiten an der steuerbordseitigen Hauptnagelbank kontrollieren wollte, eilte herbei.
    »Einen Mann ans Handlog, ich will wissen, wie viel Knoten wir machen.«
    »Aye, aye, Sir!« Gerald verschwand.
    Stout begab sich zum Mann am Ruder, der steif wie ein Ölgötze dastand und nur Augen für den vor ihm befindlichen Kompass hatte. Neben ihm stand Ó Moghráin, der Steuermann, ein für seinen Posten vergleichsweise junger Bursche mit schwarzen Haaren und stahlblauen Augen.
    »Kurs Südwest zu Süd liegt an, Sir«, meldete der Rudergänger.
    »Schön. Lass mich mal.« Stout packte selbst den Kolderstab und genoss die Unmittelbarkeit, mit der sich die Kräfte der See über das Ruder und die Pinne seiner Hand mitteilten. Die
Gallant
machte jetzt stärkere Fahrt, das Singen im Rigg lag eine Oktave höher, und der Klang des an der Bordwand entlangrauschenden Wassers glich dem einer Stromschnelle. Wenn Stout überhaupt etwas außer Geld liebte, dann war es zügiges Segeln.
    »Sie macht fünf Knoten, Sir!« Geralds Ruf kam vom Vorkastell der Galeone, einem Aufbau, der bei den englischen Schiffen flacher war als bei den spanischen und deshalb Backsdeck gerufen wurde. Es hatte den Vorteil, dass es seitlich einfallenden Winden nicht so viel Angriffsfläche bot.
    »Fünf Knoten, sie läuft ganz hübsch«, knurrte Stout, sich an Ó Moghráin wendend. »Was meint Ihr, Steuermann, wann passieren wir die Scillys?«
    »Nun, Sir, bei gleich bleibendem Wind dürften wir gegen Einbruch der Dunkelheit Lizard Point querab peilen, denn sie läuft wirklich schnell!
Tá siad ag siúil!
In der Nacht sollten wir zunächst Kurs beibehalten, später dann auf West gehen. Wenn Poseidon uns hold ist, sehen wir die Inseln am Morgen schon achteraus liegen.«
    »Soso. Hm.« Stout war zufrieden. Der Inhalt der Antwort gefiel ihm, und die Art, wie sie gegeben wurde, auch.

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