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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Glieder durch.
    Ambrosius setzte schnaufend den Becher ab. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, um Eure Frage zu beantworten: Ich bin nach wie vor ein gläubiger Katholik, was ich freimütig gestehe in einem Land, in dem man schnell als Papist beschimpft wird.«
    »Oder getötet«, setzte Vitus ernst hinzu. »Richard Grenville, der Sheriff von Cornwall, hat in diesem Jahr einen Priester zur Abschreckung hängen, ausweiden und vierteilen lassen, seitdem gilt Südengland als katholikenfrei. Ihr seid zwar kein Engländer, Vater, und nur auf der Durchreise, aber seht Euch trotzdem vor.«
    »Oh! Danke für die Warnung.« Ambrosius war nicht unbeeindruckt. »Aber das darf mich nicht abhalten. Ich bin mit jeder Faser meines Herzens Katholik, immer gewesen, obwohl manches in der Lehre Luthers mich nicht unberührt lässt. Ich predige Barmherzigkeit und Nächstenliebe, in meinen Augen sind alle Menschen gleich, denn vor Gott sind sie es auch, woher also sollte ich das Mandat nehmen, beispielsweise gegen die Juden zu wettern, so, wie es der Herr Luther getan hat?«
    Ambrosius nahm einen weiteren Schluck. »Doch ich will Euch nicht langweilen, will nur so viel sagen, dass jemand, der ehrlich ist und ein gottgefälliges Leben führt, mir tausendfach lieber ist als einer, der von morgens bis abends vor sich hin frömmelt. Wusstet Ihr, Herr Vitus, dass es auf dieser Welt Tausende von Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen, Artikel und Erlasse gibt?«
    »Nun, Vater, ich …«
    »Es gibt sie. Und alle nur, damit die zehn Gebote eingehalten werden. Die zehn Gebote, Sir! Sie sind es, worauf es ankommt. Und sie sind es auch, die ich unter jene bringen will, die nach Gottes Lehre dürsten, drüben in der Neuen Welt.«
    »Ihr habt das Herz auf dem rechten Fleck, wenn ich so sagen darf, Vater«, lächelte Vitus. »Ihr vertretet eine tolerante Kirche, geradeso wie ich. Erlaubt, dass ich Euch die Hand schüttele.« Er beugte sich über den Tisch und packte Ambrosius’ Rechte. »Doch gestattet mir noch eine rein weltliche Frage: Habt Ihr schon ein Schiff, das Euch hinüberbringt nach Neu-Spanien?«
    »Aber natürlich, Sir. Ich segle mit der
Gallant
unter Kapitän Archibald Stout.«
    »Waaas?« – »Augenblick mal!« – »Das gibt’s doch nicht!« Die Freunde redeten vor Aufregung alle auf einmal.
    Ambrosius war verblüfft über den plötzlichen Ausbruch.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Doch, doch«, beeilte sich Vitus zu versichern. »Es ist nur, weil wir seit Tagen vergeblich nach einer Passage Ausschau halten, und Euch scheint es ohne weiteres gelungen zu sein, eine zu finden.«
    »Nun, so ohne weiteres auch nicht. Ich musste Stout in die Hand versprechen, mich um das Seelenheil seiner Männer zu kümmern, musste mich ferner bereit erklären, an den Brassen mit Hand anzulegen und, damit nicht genug, noch drei Pfund für die Überfahrt berappen.«
    »Drei Klumpen fürs Geschockel? Das schmerft mir nich!«, rief der Zwerg erzürnt. »Wuchrig ist’s, sag ich, wuchrig!«
    Ambrosius nickte. »Stout scheint seine Situation weidlich auszunutzen. Meines Wissens ist er der Einzige, der dieses Jahr noch in die Neue Welt will. Allerdings hat er kaum genug Leute für gute Seemannschaft, weshalb ich wohl auch mit an die Brassen muss.«
    »Der Überfahrtspreis ist happig, das stimmt«, überlegte Vitus. »Aber ich will ihn gern bezahlen, und wenn ich unterwegs noch den einen oder anderen Kranken kurieren kann, dann soll’s mir auch recht sein.«
    »Ihr seid doch nicht etwa Arzt, Sir?« Ambrosius hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Doch, das bin ich. Arzt, Pharmakologe und examinierter Schiffschirurg.« Vitus bemühte sich, den Stolz über sein Patent nicht durchklingen zu lassen.
    »Dann, Sir, habt Ihr Stouts Zusage schon so gut wie in der Tasche. Seine Mannschaft ist nämlich in ziemlich desolatem Zustand; über die Hälfte der Männer ist krank oder gebrechlich. Stout hat sie deshalb gar nicht erst an Land gelassen, als er vorgestern hier festmachte. Und er hat es ziemlich eilig, wieder auf See zu kommen, das kann ich Euch versichern. Jemand, der ihm während der Fahrt seine Männer wieder zusammenflickt, wäre so ziemlich das Beste, was ihm passieren kann.«
    »Großartig! Wann geht Stout ankerauf?«
    »Vielleicht schon morgen, Sir, wenn der Wind es gut meint, direkt nach der Vormittagsflut. Das bedeutet, dass Ihr heute Abend schon tunlichst bei ihm an Bord sein solltet. Vorhin, bevor wir uns trafen, war ich gerade auf dem Weg zur
Gallant
, nachdem

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