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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gutes Geld verscherbeln.«
    »Ein schöner Schliff! Und ein guter Tropfen dazu.« Gerald nickte höflich, während die Gäste sich wieder setzten und auf ihre noch leeren Teller blickten. »Bin gespannt, was es zu essen gibt.«
    »Eurer Neugier kann abgeholfen werden!«, rief Stout, der an diesem Abend bester Laune war. Nicht, wie man hätte vermuten können, weil die Geburt Jesu Christi gefeiert wurde, sondern weil der Wind von Südwest auf Nordost umgesprungen war und das Wetter besser zu werden versprach. »Der Koch muss jeden Augenblick mit der Festspeise hereinkommen.«
    Kaum waren seine Worte verklungen, öffnete sich die Kajütentür, und der Zwerg erschien auf der Bildfläche, eine große Steingutschüssel in den Händen balancierend.
    »Nur herbei, Mister Enano, schenkt uns ein von Eurer Köstlichkeit!« Stout war die Leutseligkeit selbst.
    »Wui, wui, Herr Kaptein.« Der Zwerg trippelte heran und tat wie befohlen. Als er die Runde gemacht hatte und alle versorgt waren, dampfte vor jedem Gast eine schleimig braune, mit einzelnen Knorpeln durchsetzte Suppe.
    »Níl a fhios agam, níl a fhios agam«
, rätselte Ó Moghráin. »Ich weiß nicht, was das für Suppe ist.«
    Der Magister schnupperte, verzog das Gesicht und meinte süffisant: »Das Volk Israel, Herr Kapitän, welches Ihr eben in Eurem Gebet erwähntet, scheint etwas üppiger gespeist zu haben als wir.«
    »Aber woher denn, Herr Magister!« Des Geizhals gute Laune war nicht zu erschüttern. »Ihr scheint nicht zu wissen, was vor Euch steht. Ich darf behaupten, es ist etwas ganz Besonderes –
Portable soup.
«
    »Portable soup?«
    »Ganz recht.
Portable soup
ist eine äußerst segensreiche Erfindung und von daher trefflich geeignet, auf einer weihnachtlichen Tafel zu stehen.« Er schien völlig zu übersehen, dass sein verschrammter Mahagonitisch mit den billigen Talgkerzen keineswegs festlich, sondern eher spartanisch wirkte. »Ganze Wagenladungen an
Portable soup
werden in London und anderen Häfen hergestellt. Man nimmt dazu Fleischreste, meistens vom Rind oder Schwein, sodann reichlich Knochen, Knorpel, Sehnen, Hufe, Augen und anderes und kocht das Ganze zu einem dicken Gallert ein, welches anschließend in Formen gegossen wird.« Stout nahm einen Löffel voll auf, pustete, kostete schmatzend und tat so, als verdrehe er voller Genuss die Augen.
    Der Magister murmelte kaum hörbar: »Das Zeug sieht aus wie Tischlerleim.«
    Den anderen Gästen hatte es die Sprache verschlagen. Phoebe war die Erste, die sich fing. »So’n Schweinkram essich nich, Herr Kapitän, Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, aber so’n Schweinkram essich nich.«
    »Aber, aber! Vielleicht hätte ich die Inhalte der Suppe nicht aufzählen sollen, dennoch darf nicht übersehen werden, dass
Portable soup
auch ihre praktische Seite hat: Sie ist – richtig verstaut und vor Nässe und Schimmel geschützt – eine Mahlzeit, die sich über viele Jahre auf See hält. Man muss sich einfach ein Herz fassen und den ersten Löffel probieren, und sogleich wird man feststellen, dass sie insgesamt sehr gut schmeckt – viel besser als jede ihrer einzelnen Zutaten für sich. Sie schmeckt nach …«, Stout kostete jetzt ernsthaft und stellte fest, dass diese
Portable soup
tatsächlich überraschend gut mundete, »sie schmeckt nach …«
    Und während der Geizhals noch nach einem passenden Vergleich suchte, schaltete sich der Zwerg ein. Er hatte die ganze Zeit an der Tür gewartet und fistelte nun: »Wui, wui, Herr Kaptein, ’s schmerft nach Schaf.«
    »Ja, tatsächlich. Nach Schaf. Obwohl Hammel normalerweise nicht in eine
Portable soup
gehö …« Ein ungeheurer Verdacht ließ Stout verstummen. Er schaute auf – und sah in zwei winzige, spöttisch dreinblickende Äuglein.
    Und dann geschah zweierlei zur gleichen Zeit. Stout wollte aufspringen, um den tückischen Wicht zu packen, wurde aber von einem jählings einsetzenden, unerträglichen Schmerz zurückgerissen. Es war ihm, als hätte die brühheiße Suppe sich durch sein Gedärm gefressen und sei von da aus mitten hinein in die Blase gedrungen. Die Pein war so groß, dass er, wimmernde Laute ausstoßend, mit dem Kopf vornüber auf die Tafel schlug, während seine Hände sich hilflos gegen den Unterleib pressten.
    Kaum einen Wimpernschlag später war Vitus schon neben ihm. »Was habt Ihr, Sir?«
    Stout stöhnte nur.
    »Habt Ihr Schmerzen im Unterleib?«
    Stout keuchte: »Ja … Unterleib. Furchtbar. Ooohh … Ich muss piss …

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