Der Chirurg von Campodios
Verzeihung, die Damen … Ooohh …«
Vitus half dem Kapitän mit sanfter Gewalt hoch, während ein ganz bestimmter Gedanke in ihm aufkeimte, ein Gedanke, von dem er hoffte, dass er sich nicht als wahr erweisen würde.
»Kommt, wir gehen hinüber zu dem gewissen Stuhl hinter dem Vorhang.« Er stützte Stout, der nur mit kleinen Schritten zu gehen in der Lage war, und erreichte glücklich das Ziel, wo er sofort den Hosenbund des Kapitäns lockerte und das Beinkleid herabzog. »Setzt Euch auf den Rand und beugt den Oberkörper zurück.«
Der Geizhals gehorchte, soweit er es vermochte. Noch immer bohrte der Schmerz sich wie mit Messern in seinen Unterleib. Er ging vom Hodensack aus und strahlte in den gesamten Beckenraum ab, bis hin in den Bereich der Leisten.
»Magister, hol mir rasch meine Kiepe und den Instrumentenkoffer. Mister Gerald und Mister Ó Moghráin, haltet Euch zu meiner Verfügung. Enano, räum die Tafel ab und bring die, äh … Suppe fort. Die Damen ersuche ich, die Kajüte zu verlassen, es wäre unschicklich, wenn sie blieben.«
Phoebe und Phyllis verließen umgehend den Raum, erstaunlicherweise ohne eine Bemerkung der zungenfertigen Phoebe, dafür jedoch mit einem gemurmelten »Ja, ja, unschicklich« von Phyllis.
Kurz darauf war der Magister mit dem Gewünschten zurück. Der Verdacht, den Vitus von Anfang an gehabt hatte, war inzwischen zur Gewissheit geworden. Stout hatte nicht nur stechende Schmerzen im Unterleib, er verspürte auch einen kaum zu ertragenden Harndrang, einen Druck, dem keineswegs abzuhelfen war, denn der Kapitän war nicht fähig, Wasser zu lassen.
»Sir, ich fürchte, Ihr habt einen kapitalen Stein in der Blase, vielleicht auch mehrere. Der Stein bereitet Euch die Torturen, denn er sitzt vor der Öffnung zum Harnleiter und versperrt sie.«
Stout nickte mühsam. Für den Augenblick hatte der Schmerz ein Einsehen und wütete nicht ganz so stark in seinen Eingeweiden. »Was wollt Ihr tun?«
»Hattet Ihr schon einmal einen ähnlichen Anfall?«, fragte Vitus zurück.
»Ja, zwei- oder dreimal. Aber viel weniger stark. Nicht annähernd.«
»Habt Ihr danach zufällig bemerkt, dass Euer Urin leicht rötlich war, so, als habe sich Blut darunter gemischt?«
»Ich denke, ja.« Stout versuchte sich zu konzentrieren. »Einmal war’s so. Hab mich ziemlich erschreckt damals, aber beim nächsten Pinkeln war alles wieder normal.«
Vitus tastete den Leib unterhalb des Nabels vorsichtig ab. Im Blasenbereich spürte er einen harten Widerstand, was seine Diagnose zu bestätigen schien. »Die Ursache für roten Harn können winzige Blasensteinchen sein, die beim Urinieren mit herausgeschwemmt werden und dabei den Harnleiter verletzen. Ihr müsst wissen, dass Blasensteine in unterschiedlichster Größe vorkommen, mal winzig klein, mal walnussgroß, wobei die Farbe durchaus veränderlich ist – von hellgrau bis gelb, von blass bis bräunlich. Kein Mensch weiß genau, warum das so ist. Wenn Ihr eine Vermutung von mir hören wollt, so würde ich sagen, die Bildung der Steine und auch ihre Farbe hängen mit der Ernährung zusammen. Aber wie gesagt, das ist nur eine Vermutung.« Vitus sprach absichtlich so ausführlich über das Leiden, weil er die Erfahrung gemacht hatte, dass es beruhigend auf die Menschen wirkte, wenn man ihnen mit einfachen Worten die Hintergründe ihrer Krankheit schilderte.
Plötzlich schossen Stouts Hände vor und umklammerten Vitus’ Unterarme wie Schraubstöcke. Ein neuerlicher Schmerzanfall war über ihn gekommen.
Vitus befreite sich mühsam. »Rasch, Magister, gib mir das Fläschchen mit dem Laudanum und das Weinglas des Kapitäns.« Als er beides hatte, goss er eine gehörige Menge der opiumhaltigen Tinktur in den Wein und befahl Stout, das Glas zu leeren.
Nur wenige Minuten später glätteten sich die Züge des Geizhalses. »Oh, Allmächtiger Vater im Himmel, ich danke dir«, seufzte er, »der Schmerz lässt nach.«
»Könnt Ihr jetzt Wasser lassen?«, fragte Vitus.
Stout, noch immer auf dem Kackstuhl sitzend, versuchte es mit starrer Miene. Doch sosehr er sich auch konzentrierte, nicht das leiseste Plätschern kündete von dem Erfolg seiner Bemühungen.
»Spürt Ihr nach wie vor Druck auf der Blase?«
»Ja, schon. Und wie! Der Drang ist da, aber es ist mehr ein dumpfes Drücken.«
»Gut. Wir werden jetzt etwas mit Euch machen, Sir, das sich schlecht mit der Würde eines Kapitäns verträgt. Dennoch muss der Versuch unternommen werden.«
»Was wollt
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