Der Clan
aus der Kassette - das mit ihr selbst. Sie warf es ins Feuer, und es verbrannte und verschmur-gelte rasch. Die Flammen zogen höher, als es ihr recht war, aber sie blieb ungestört. Zum Schluß warf sie noch die Kunststoffkassetten ins Feuer, die stinkend zerschmolzen. Sie schaufelte mit den Händen Sand über die Feuerstelle, damit alles abkühlte, und trug die Reste nach ein paar Minuten ins Wasser. Dort warf sie sie in die Brandung, so weit hinaus wie möglich. Dann ging sie zurück zum Haus.
Niemand wurde laut oder zeigte falsche Betroffenheit. Als sie am Morgen nach unten kam, erwartete Roberta sie bereits, noch ehe sie auf der Veranda war, und eröffnete ihr, daß Nummer eins noch in der Nacht einem Herzschlag erlegen sei.
»Nun ja«, sagte Betsy, »immerhin, seine hundert hat er geschafft. Wenn auch keinen Tag mehr.« Mehr hatte sie nicht zu sagen.
Es wurde Mittag, bevor alle Formalitäten erledigt waren. Aber immerhin war die Kunde, daß Loren Hardeman der Erste tot war, bereits in die ganze Welt gegangen.
Aus New York kam ein Telegramm.
GESCHOCKT UND IN TRAUER ÜBER NACHRICHT VOM TODE LOREN HARDEMANSI.
MEIN PERSÖNLICHES BEILEID FÜR ALLE MITGLIEDER SEINER FAMILIE UND SEINE VIELEN FREUNDE,
ZU DENEN AUCH ICH MICH ZÄHLE.
ER WAR EINER DER GIGANTEN DER AUTOMOBILINDUSTRIE.
OHNE IHN WIRD SIE NIE MEHR SO SEIN,
WIE SIE EINMAL WAR.
ANGELO PERINO
1978 1
Amanda Finch, die einen Akt von ihr gemalt hatte, fuhr Cindy langsam die bergabfahrende Hauptstraße von Greenwich, Connecticut, hinunter.
»Ich weiß nicht«, sagte sie, »irgendwie habe ich mich in diese Stadt hier verliebt. Eine Menge Künstler haben sich hier niedergelassen, auch ein paar Prominente, Sportler und Leute aus dem Showbusineß. Aber die Stadt ist ein abgelegenes und verschlafenes Nest geblieben. Es lebt sich gut und angenehm hier. Es wird dir auch gefallen, denke ich.«
Cindy war schon lange mit Überlegungen beschäftigt, aus New York hinauszuziehen. Sie und Angelo liebten zwar ihre elegante Wohnung in Manhattan, aber sie waren auch gleicher Meinung, daß dort trotzdem nicht die rechte Umgebung für das Heranwachsen der Kinder sei. Little John war inzwischen fünf und brauchte mehr Auslauf und Natur als die Spaziergänge in den Parks der Stadt. Anna, drei Jahre alt, hatte ohnehin ein lebhaftes Wesen. Und auch Morris, noch im Krabbelalter, zeigte sich schon jetzt als lautes und aktives Kind, und es war vorauszusehen, daß er ziemlich bald gegen die vergleichsweise Enge und Beschränktheit einer Stadtwohnung revoltieren würde. Cindy hatte sich bereits Häuser in der Westchester County und in New Jersey angesehen. Dies nun war ihr erster Ausflug zur Haussuche nach Connecticut.
»Hier findet man alles«, versicherte ihr Amanda. »Vom Apartment bis zum großen Stadthaus. Das kleine Häuschen mit ein bißchen Rasen drumherum und den prestigeträchtigen Landsitz von einer Million an aufwärts.«
Sie selbst bewohnte ein Penthouse-Apartment in einem fünf-
stöckigen Ziegelbau in einer kleinen Straße voller Jahrhundertwendehäuser. Dorthin fuhr sie Cindy jetzt erst einmal. Sie glitten im Aufzug nach oben. Der Hauptraum der Wohnung war ein Wintergarten auf dem Hausdach, den Amanda als Atelier benutzte. Außerdem hatte sie noch zwei Schlafzimmer, von denen ihr eines als Wohnzimmer diente, eine Kochnische und ein Bad.
Sie kochte Kaffee, führte Cindy in ihr Atelier und bot ihr einen Platz auf der Couch an.
Der Wintergarten hatte ein Glasdach und auf drei Seiten, außer der Westseite, Glaswände. Er eignete sich mit dieser Fülle von Licht vorzüglich als Künstleratelier. Lediglich an der Ostwand hatte Amanda Vorhänge angebracht gegen die Nachbarsgaffer auf ihre Modelle aus den höheren Häusern ringsum. Von den anderen Seiten gab es keine Einblickmöglichkeiten. Nach Süden hin hatte man einen schönen Blick auf den ganzen Long Island Sound und die Nordküste von Long Island. Das Atelier stand voller Staffeleien. Wild durcheinander lagen überall Paletten, Pinsel, Farbtuben-schachteln, Dosen mit Lappen, Zeitschriften, Zeitungen, leeren Pizza- und Burgerkartons.
Amanda bot sich Cindy zum Kuß an, und Cindy küßte sie zärtlich. »Ich möchte wirklich, daß du hier herausziehst«, sagte Amanda. »Wirklich, Cindy, ganz im Ernst.«
Cindy stand auf und betrachtete das noch unfertige Bild auf der Arbeitsstaffelei: ein Jünglingsakt in Amandas fotorealistischem Stil, der nicht das kleinste Detail wegließ.
»Das ist Greg«, sagte Amanda.
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