Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
begrüÃte seine Mutter.
Moe blieb mehrere Augenblicke reglos. Dann nahm sie den Weinkrug und schleuderte ihn durch den Raum. Der Krug traf einen bemalten Wandschirm, ohne ihn zu zerreiÃen, doch der Wein lief in einem hässlichen Fleck über die tiefrosa gemalten Blumen.
»Er ist zu Akane gegangen«, sagte Moe.
Akane jubelte, als sie merkte, dass Shigeru direkt zu ihr gekommen war, noch bevor er ins Schloss ging. Sein Anblick, staubig und von der Reise befleckt, sein Lächeln, als er sie begrüÃte, verscheuchten fast alle ihre Ãngste. Sie machte viel Wirbel um ihn, tat, als wäre sie entsetzt, weil er so schmutzig war, beschimpfte und neckte ihn, dann ging sie selbst ins Badehaus und half der Dienerin, seinen Rücken zu schrubben. Sie wusch ihm jeden Körperteil und dachte voll Vorfreude, wie sie ihn bald bei sich fühlen würde â aber nicht zu bald. Sie wollte den Augenblick hinausschieben und spürte dabei, wie ihre Haut prickelte und ihre Muskeln vor Wollust erschlafften. Vor etwas mehr als einem Jahr hatten sie sich zum ersten Mal geliebt, als er wie heute von den Grenzen im Osten zurückgekommen war. Sie lieà das gleiche Essen zubereiten: kalt, sämig, saftig. Es wurde Nacht und sie rief nach Lampen, ohne den Blick von ihm zu wenden, während er aÃ. Er hatte sich in diesem Jahr von einem Jungen zum Mann verändert. Ich habe ihn verändert, dachte sie. Ich habe ihn gelehrt, ein Mann zu sein.
Nachdem sie sich zurückgezogen und mit Leidenschaft ihre Begierde befriedigt hatten, schmiegte sie sich an ihn. »Jetzt wirst du bis zum Frühling in Hagi bleiben«, sagte sie zufrieden.
»Ich werde den Winter hier verbringen. Aber zuvor muss ich eine andere Reise machen.«
»Du bist grausam!«, sagte Akane, es war nur halb gespielt. »Wohin gehst du?«
»Ich werde Takeshi nach Terayama bringen. Er wird ein Jahr dortbleiben, er will Schwertunterricht bei Matsuda nehmen, und die Disziplin wird ihm guttun.«
»Er ist sehr jung â du warst fünfzehn, nicht wahr?«
»Er wird im neuen Jahr vierzehn. Ich habe noch andere Gründe. Ich glaube, wir werden nächstes Jahr Krieg führen. Wenn mein Bruder im Tempel ist, kann er nicht weglaufen und kämpfen.«
»Er würde das tun«, sagte Akane. »Lord Takeshi ist kühner als doppelt so alte Männer.«
»Er soll lernen, richtig zu kämpfen â und zu seiner ganzen GröÃe heranwachsen.« Shigeru hielt inne und fuhr dann fort: »Ich begleite auch meine Frau zu ihrem Elternhaus in Kushimoto. Sie hat noch immer nicht ihren ersten formellen Besuch zu Hause gemacht.«
»Deine Frau reist mit dir?« Akane spürte den Stich der Eifersucht bei dem Gedanken an die Tage und Nächte, die beide unterwegs zusammen verbringen würden.
»Du weiÃt, dass ich Kinder haben muss â also muss ich mit meiner Frau schlafen. Reisen, fortkommen von einem Ort, an dem sie sich offensichtlich nicht wohlfühlt, das bringt sie vielleicht dazu, mich mehr zu mögen. Es tut mir leid, wenn es dich eifersüchtig macht, Akane, aber du musst die Situation akzeptieren.«
»Ich würde dir Kinder schenken.« Akane konnte die Worte nicht zurückhalten, obwohl es töricht war, sie auch nur zu denken.
»Du gibst mir auch Grund zur Eifersucht. Kiyoshige hat mir von Hayato erzählt«, sagte Shigeru. »Es heiÃt, du hättest dich bei meinem Onkel für das Leben seiner Kinder eingesetzt.«
»Ich hätte mich an dich gewandt, wenn du dagewesen wärst. Ich hoffe, es kränkt dich nicht.«
»Es hat mich überrascht, dass mein Onkel sich von dir umstimmen lieÃ. Ich habe mich gefragt, was er dafür verlangt hat.«
»Nichts«, sagte sie hastig. »Ich glaube, er hat es begrüÃt, bei dieser Gelegenheit sein Mitgefühl demonstrieren zu können. Er war betrunken, als er Hayato töten lieÃ. Am Morgen bereute er seine Voreiligkeit und wollte Zugeständnisse machen.«
»Das hört sich nicht wie mein Onkel an«, sagte Shigeru leise. Er entfernte sich von ihr, stand auf und begann sich anzuziehen.
»Bleibst du nicht?«, fragte sie.
»Nein. Heute Nacht kann ich das nicht. Ich muss am Morgen bei meinen Eltern sein und bei meiner Frau und Vorbereitungen für die Reise treffen.«
»Aber du kommst doch noch, bevor du gehst?« Sie hörte den flehenden Ton in ihrer Stimme und
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