Der Clan der Wildkatzen
bewegte sich so schnell, dass der kleine Kater ihn nicht kommen sah, sondern ihn erst bemerkte, als grausame, spitze Krallen auf seinen Schwanz niedergingen und ihn fest gegen das morsche Holz des Schranks drückten. Einen solchen Schmerz, der wie Feuer durch seinen Körper schoss, hatte Southpaw bislang noch nicht gespürt.
» Das war sehr clever, Frischfleisch, und sehr unterhaltsam«, sagte Datura. Aus dem gelben Auge starrte er Southpaw an und drückte ihn gnadenlos auf den Boden. » Aber das Einzige, was hier zählt, ist das Gesetz des Verrammelten Hauses. Und das gilt immer: Wenn wir Frischfleisch finden, wird es umgebracht.«
Die ungleichen Augen glitzerten. » Langsam«, fügte er hinzu, und dann zog Datura mit den Zähnen behutsam und beinahe sanft an einem von Southpaws Schnurrhaaren.
Die Worte, die der kleine Kater hatte sagen wollen, der große Trotz, den er durch seine Schnurrhaare zum Ausdruck gebracht hatte, all das war vergessen, als der Schmerz durch seinen kleinen Körper fuhr. Sein Gesicht fühlte sich an, als würde es in Flammen stehen, und als er sich einmal kurz wand, verdoppelte sich der Schmerz. Jede weitere Bewegung, so erkannte Southpaw, würde unerträglich sein. Daturas Gesicht war so dicht vor seinem, dass er das eigenartige blaue Auge der Katze genau sehen konnte. Aus weiter Ferne hörte er ein Tier voller Qualen schreien. Dann strömte das Blut aus dem Loch, wo zuvor das Schnurrhaar gewachsen war, und er begriff, dass das Geschrei von ihm selbst stammte. Er versuchte aufzuhören, miaute jedoch erstickt weiter. Flüchtig meinte er, von oben ein lautes Pochen zu hören, allerdings war der Schmerz zu groß, um zu begreifen, worum es sich dabei handelte.
» Erstes Blut«, sagte Aconite gierig.
» Wenn du nett bittest, Aconite, überlasse ich dir seinen Schwanz«, sagte Datura. Die weiße Katze hielt Southpaw immer noch auf den Boden gedrückt und betrachtete den kleinen Kater ohne jede Leidenschaft. Southpaw kam es so vor, als würde Datura es genießen, dass er voller Schmerz und Angst miaute, und er versuchte noch einmal, sich zu beherrschen.
» Und ich?«, fragte Ratsbane.
» Ich habe gesagt, wir machen ihn in aller Ruhe fertig«, sagte Datura. » Ihr bekommt genug Zeit zum Spielen.«
Southpaws Entsetzen wuchs. In seinem Kopf hörte er die Stimme von Miao, die den älteren Kätzchen, die zum ersten Mal auf die Jagd gingen, sagte: » Die besten Jäger erledigen die Sache schnell und sauber. Spielt mit der Beute, um sie müde zu machen, wenn sie verwundet oder gefährlich ist. Aber ansonsten merkt euch eins: Am besten tötet man schnell, sauber und schmerzlos.«
In dem Moment pikte Datura ihm eine Kralle in die Spitze des Ohrs und riss es auf. Southpaw schrie erneut auf. Die Antwort der Katzen von Nizamuddin fühlte er eher, als dass er sie hörte, und er begriff, dass die Verbindung mit ihnen endlich hergestellt war, vielleicht durch den Schmerz und die Angst, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie das funktionierte.
Datura veränderte seine Position und bohrte Southpaw seine Zähne ins Genick. Er hob das Kätzchen hoch und die zarte Haut auf der Rückseite des Halses riss auf. Das Blut lief Southpaw die Kehle hinunter. Dann warf Datura den kleinen Kater auf den Boden, und Southpaw wollte sich zur Seite wälzen, aber sein Gegner war zu schnell für ihn. Mit seiner riesigen Pfote hielt Datura ihn fest, und hinter ihm, so hörte Southpaw, kam Aconite näher. Die spielte mit ihren Krallen, und einen schrecklichen Augenblick lang stellte Southpaw sich vor, wie es sich anfühlen musste, wenn diese durch seine Kehle schnitten. Die Katze war von Blutgier getrieben, und der kleine Kater, der hilflos auf den Boden gedrückt wurde, überlegte sich, dass es wahrscheinlich günstiger war, sie zu provozieren, damit sie ihn schnell tötete.
Sein Gesicht zitterte; er hielt den Schmerz nicht mehr aus. Als er ein leises Tappen auf der Treppe wahrnahm, fürchtete er erschöpft, es würden noch weitere Unbezähmbare kommen, um sich an Daturas Spiel zu beteiligen.
» Sollen wir anfangen?«, fragte der Anführer. Southpaw schauderte und schloss die Augen. Er dachte an Miao und daran, wie sie ihn oft geputzt hatte, bis er einschlief, daran, wie tröstlich sich ihre raue Zunge auf seinem Fell anfühlte. Er dachte daran, wie er Katar durch Nizamuddin gefolgt war und vom tapfersten und nettesten Kater gelernt hatte, wie man sich als solcher zu benehmen hatte. Er versuchte sich vorzustellen, wie sich
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