Der Clan der Wildkatzen
Raum ein, und sogar Ratsbane ging nicht weiter auf Southpaw los.
» Das ist ja wirklich interessant, Frischfleisch«, sagte Datura. » Du riechst nach Blut und Angst, und bald stinkst du nach Schmerz und Reue, ehe wir uns erbarmen und deinem törichten Leben ein Ende setzen. Du bist allein und wir sind viele. Deine Freunde haben dich im Stich gelassen. Und doch tun wir dir leid? Die wenigen Sekunden, die dir noch bleiben – bevor du dich zu den Ratten und Mäusen gesellst, deren Leichen, wie du selbst sehen kannst, den Boden übersäen –, diese Sekunden verbringst du damit, dass wir dir leidtun? Das musst du mir erklären.«
Die weiße Katze schnurrte milde, sogar verständnisvoll, aber Southpaw hatte gute Ohren und hörte den wütenden Unterton heraus. Und obwohl Datura seine Schnurrhaare gut im Griff hatte, spürte Southpaw seinen Zorn.
» Die Krähen picken nach Fremden, so wie ihr, die Ratten umzingeln die Jungen und Hilflosen, so wie ihr. Aber keine wahre Katze benimmt sich wie du und deinesgleichen«, sagte er.
Der Zorn, den Datura nun nicht mehr zurückhielt, schien sich von einer Katze zur nächsten auszubreiten, und einen Moment lang überlagerte der Gestank von Wut den des Wahnsinns, der sonst im Haus vorherrschte.
Datura drehte sich auf der Treppe um, und Southpaw sah, wie der weiße Kater seine Schnurrhaare zu strecken begann. Ohne Zweifel würde er jetzt den Befehl an Ratsbane, Aconite und die anderen erteilen, dem Spiel ein Ende zu setzen.
» Ich bin noch nicht fertig«, sagte Southpaw eindringlich und laut. Das hatte er sich von Katar abgeguckt, der manchmal die tumultartigen Versammlungen der Kolonie leitete.
Ungläubiges Murmeln ging durch den Raum, aber der kleine Kater verschaffte sich auch jetzt wieder Gehör.
» Miao und Katar sagen immer, dass selbst Katzen, die unterschiedlich riechen, angehört werden sollten, wenn sie um Zuflucht bitten, es sei denn, sie stellen eine Gefahr für den Clan dar«, erklärte Southpaw. » Ich bin hierhergekommen, weil ich vor dem Hund geflohen bin, und weil du gesagt hast, ich solle hereinkommen, Datura. Aber ihr benehmt euch alle ganz anders als die Katzen, die ich kenne.«
Datura kam die Treppe herunter. Das gelbe Auge der weißen Katze leuchtete wütend, das blaue wirkte finster und unergründlich. » Was für eine nette Unterhaltung wir heute führen dürfen!«, sagte er, aber sein Fell verströmte eine Welle der Verachtung. Trotzdem hinderte er Southpaw nicht am Weiterreden und befahl auch nicht, ihn zu töten.
Dem jungen Kater klopfte das Herz so laut, dass er fürchtete, alle Katzen könnten es hören. » Wann bist du eigentlich zum letzten Mal nach draußen gegangen, Datura?«, fragte er.
Aconite fauchte. » Erlaub mir, ihn zu töten! Solch eine Unverschämtheit!«
Der Kreis zog sich wieder enger um den kleinen Kater und er spürte immer mehr Unbezähmbare in seinem Rücken. Er war umzingelt.
Die weiße Katze war nun unten an der Treppe angelangt und zuckte mit dem Schwanz gleichmäßig hin und her.
» Warum sollte Datura schon nach draußen gehen?«, fragte Ratsbane und fletschte die Zähne. » Warum sollte irgendwer von uns hinausgehen? Hier haben wir alles, was wir brauchen, du dummes Stück Fleisch. Dies ist unser Königreich. Unser Revier. Wir fressen die Ratten und auch mal eine Taube, die gelegentlich durchs Fenster hereinflattert, und wir leben nach unseren eigenen Gesetzen, nicht nach deinen dummen Schwächlingsregeln. Außerdem stört uns hier niemand.«
Southpaw holte alle seine Wutreserven hervor und brachte seine Brust dazu, vor Ärger anzuschwellen. Er verdrängte die grässliche Angst, die ihm im Nacken saß, während die Unbezähmbaren aus dem Verrammelten Haus ihn immer mehr umzingelten.
» Ich habe Datura gefragt«, sagte er, » nicht dich, Ratsbane.«
Die weiße Katze fauchte und legte die Ohren an. Erst jetzt sah Southpaw den Wahnsinn in Daturas Augen. Er kam mit klackenden Krallen auf ihn zu. Das Fell des kleinen Katers spannte sich an und seine Schnurrhaare bewegten sich wild durcheinander.
» Bist du hier geboren worden?«, fragte er verzweifelt. Datura blieb stehen und wedelte mit dem Schwanz hin und her.
» Ja«, antwortete er. » Und? Welchen Unterschied macht es schon, wo ich geboren wurde?«
Southpaw spürte, wie die Angst etwas von ihm abfiel. Seine schwarzen Schnurrhaare stellten sich leicht auf, während er sich vorstellte, wie es sein würde, das riesige Nizamuddin– die Kanalstraßen, die
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