Der Clan
Herald Tribune auf, um den Börsenbericht zu lesen. Sein geübtes Auge überflog schnell die Spalten. Automobile fest, Metall fest, A & T Eastman Kodak verhältnismäßig unverändert, Dow-Jones-Index 0,9 Prozent gestiegen. Er legte die Zeitung wieder auf den Tisch, ging mit der Kaffeetasse zum Fenster und schaute hinaus. Es war alles in Ordnung auf der Welt.
Eine Jacht nahm Kurs auf Monte Carlo, die weißen Segel blähten sich im Wind, während sie in das blaue Wasser ihre Schaumspur zog. Daneben fuhr eine Motorjacht zu ihrem Liegeplatz in Beaulieu-sur-Mer. Der Tag versprach schön zu werden für eine Fahrt auf dem Meer. Sobald Anne aufwachte, würde er sie fragen, ob sie an Bord der Jacht zu Mittag essen wolle. Inzwischen konnte er ein wenig schwimmen und sich weiter von der Sonne bräunen lassen. Anne stand selten vor halb zwölf auf.
Er fuhr im Lift hinunter zum Privatstrand. Als er aus dem Haus trat, blinzelte er in die Sonne.
Er sah zurück zur Villa mit ihren fünf Stockwerken. Sie war aus Stein aus den Pyrenäen gebaut und bestand aus einer Gruppe türmartiger Gebäude am Rand der Klippe, die von der Basse Comiche zum Wasser abfiel. Jeder Turm war mit dem anderen durch einen Bogengang verbunden. Ein verrücktes Haus, aber er liebte es. Es war einem Schloß so ähnlich, wie sich das auf diesem Besitz hatte verwirklichen lassen.
Er ging zum Rand des kleinen Landestegs und sprang kopfüber ins Wasser. Die Kälte raubte ihm fast den Atem. Fauchend kam er hoch. Verdammt, es war Juni, und das Wasser war noch immer eiskalt. Er schwamm mit kräftigen Zügen, und als er zwanzig Minuten später wieder auf dem Steg stand, glühte seine Haut, und er genoß die Wärme.
Er stieg über die kurze Treppe zur Terrasse mit dem Swimmingpool hoch und nahm sich ein Handtuch aus der Badehütte. Nachdem er sich kräftig abgerubbelt hatte, ging er zur Bar und drückte auf die Taste der Sprechanlage zur Küche.
»Ja, Sir?« erklang die Stimme des Butlers dröhnend aus dem Lautsprecher.
»Bringen Sie mir Kaffee zum Bassin, James«, bestellte er. Er schaltete aus, verließ die Bar und ging um die Seitenfront des kleinen Gebäudes zum Swimmingpool. Da erst sah er sie.
Ein breites Lächeln verzog sein Gesicht, er mochte seine Nichte gern. »Guten Morgen, Betsy«, begrüßte er sie herzlich. »Du bist schon früh auf.«
Betsy setzte sich auf der Liegematratze auf und hielt die Träger ihres Büstenhalters an die Brust. »Guten Morgen, Onkel Igor«, sagte sie.
Er lachte. »Du brauchst nicht so nervös zu sein, viel verdeckt der Bikini ohnehin nicht.«
Sie lächelte nicht, sondern machte die Träger fest.
Er drehte sich um und sah aufs Meer hinaus. »Wieder ein wunderschöner Tag an der Côte.« Er streckte die Arme aus und wandte sich ihr wieder zu. »Bei alldem, was auf der Welt passiert, ist es manchmal kaum zu glauben, daß hier so die Sonne scheint.«
Sie schwieg. Er schaute sie an. Gewöhnlich war sie nicht so still. »Ist etwas mit dir?« fragte er. Dann fiel es ihm ein. »Solltest du heute nicht segeln gehen?«
»Ich hatte keine Lust«, sagte sie kurz.
»Warum nicht?« Sie sah ihn an, ihre Augen blinzelten in der Sonne. »Weil mir den ganzen Morgen übel war.«
»Ich werde Dr. Guillemin anrufen«, meinte er besorgt. »Ich glaube, die Bouillabaisse war gestern abend etwas zu stark gewürzt.«
»Es ist nicht die Bouillabaisse.«
»Was dann?« fragte er überrascht.
»Ich glaube, ich bin schwanger«, erklärte sie nüchtern.
Er starrte sie an, Bestürzung zeigte sich in seinem offenen, sonnenverbrannten Gesicht.
»Wie gibt es so was?«
Sie lachte.
»Onkel Igor, für einen Mann, der einer der führenden Playboys der Welt war, bist du bemerkenswert naiv. Es ist eigentlich ganz einfach. Ich habe alles an die Riviera mitgebracht, außer meinen Pillen. Die habe ich vergessen.«
»Frankreich ist ein zivilisiertes Land. Du hättest welche bekommen können.«
»Ich hab’ sie mir aber nicht besorgt, also Schwamm darüber.«
»Bist du sicher, daß du schwanger bist?«
»Ich habe meine letzten zwei Perioden nicht gehabt, und das ist bei mir noch nie passiert.«
»Am besten, wir vergewissern uns«, sagte er. »Ich melde dich für heute nachmittag bei Dr. Pierre Guillemin in Cannes an.«
»Spar dir die Mühe. Ich fliege heute in die Staaten. In New York sind Abtreibungen legal, und Max hat alles arrangiert. Er hat mir die besten Ärzte besorgt.«
»Max Van Ludwige?« fragte er ungläubig. »Mit ihm? Aber er ist doch
Weitere Kostenlose Bücher