Der Clan
Er hob den Hörer ab.
»Ich habe ein Gespräch für Sie von den Bahamas, Mr. Perino«, sagte die Telefonistin.
»Wer ist am Apparat?« fragte er.
Es klickte, einen Augenblick war es still, dann meldete sich die Telefonistin wieder. »Miss Elisabeth Hardeman.«
Er warf einen Blick auf Nummer Eins. »Verbinden Sie mich.«
Betsys Stimme klang aus dem Hörer. »Angelo?«
»Ja.« Ein leises Rauschen war zu vernehmen, als würde man die Brandung hinter ihr hören.
»Angelo.« Ihre Stimme klang angestrengt und gespannt, als hätte sie geweint. »Jetzt frage ich dich zum letztenmal: Willst du mich heiraten?«
Er versuchte einen Scherz daraus zu machen. »Wann?«
»Keine Spaße, Angelo«, sagte sie scharf. »Ich meine es im Ernst. Sag es sofort, in dieser Minute. Es ist das letztemal.«
Er wollte es noch immer herunterspielen. »Ich habe Ihnen doch gesagt, Miss Elisabeth, daß ich nicht zu denen gehöre, die heiraten.«
Das Telefon in seiner Hand war plötzlich tot. Er hängte langsam ein. Es hatte aufgeregt geklungen, fast als wäre sie sinnlos betrunken. Er schaute Nummer Eins über den Tisch an.
»Das war Betsy«, sagte er verwundert. »Ich dachte, sie ist in Frankreich. Was zum Teufel treibt sie auf den Bahamas?«
Nummer Eins warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Wußten Sie das nicht?« fragte er. »Es stand in allen Zeitungen.«
»Ich habe seit Wochen keine Zeitung mehr angesehen.«
»Schade«, sagte Nummer Eins langsam, ein Hauch von Trauer schwang in seiner Stimme mit. »Meine Urenkelin heiratet dort heute abend.«
Nummer Eins rollte seinen Stuhl zur Tür, öffnete sie und sah auf Angelo zurück, der noch am Tisch saß.
»Bis morgen.«
Während die Tür zufiel, zündete Angelo sich eine Zigarette an. Er blieb in dem leeren Zimmer sitzen. Erst als die Zigarette ihm beinahe die Fingerspitzen verbrannte, ließ er sie in einen Aschenbecher fallen.
Er trat aus dem Gebäude in die rotgoldenen Strahlen der im Detroiter Smog untergehenden Sonne und schaute zurück auf das Gebäude hinter sich. Die zerbrochene Fensterscheibe des Sitzungssaals sah mit ihrem einen Auge auf ihn herunter.
Einer plötzlichen Eingebung folgend verließ er den Weg und betrat den Rasen unterhalb des Fensters. Seine Augen suchten den Boden ab. Den ersten Manschettenknopf fand er fast sofort direkt vor dem Fenster unter ein paar Glasscherben. Bis er den zweiten fand, vergingen fast fünfzehn Minuten. Er lag versteckt unter einer Ligusterhecke. Angelo hob ihn auf und ging zurück auf den Betonweg.
Er betrachtete die Manschettenknöpfe in seiner Hand. Die rotgoldenen Sonnenstrahlen brachten jede feinste Einzelheit der künstlerischen Arbeit zur Geltung. Das winzige Abbild des Sundancers war so wirklichkeitsgetreu, daß es nur einen Hauch von Phantasie erforderte, um ihm Leben zu verleihen und ihn donnernd in den Abend hinauszuschicken.
Seine Hand krampfte sich so fest um die goldenen Knöpfe, daß sie ihm fast in die Handfläche schnitten. Langsam ging er zu seinem Wagen.
Viertes Buch 1972
Die blasse Januarsonne schien auf die Salzebene und verwandelte die kilometerweite Fläche vor uns in glitzernde Diamanten, die uns geblendet hätten, wäre nicht das dunkel getönte Glas unserer Sturzhelmvisiere gewesen. Das Heulen der Turbine, das Pfeifen des Windes und das Dröhnen der in den Boden greifenden riesigen ultrabreiten Reifen waren die einzigen Geräusche, die es zwischen uns gab. Ich hielt das Lenkrad fest in der Hand, während ich den Wagen auf den Horizont zusteuerte, wo der weiße Sand mit dem blauen Winterhimmel zusammenstieß.
Cindys Stimme klang gelassen und ruhig in meinem Kopfhörer, als würden wir gemächlich auf einem Feldweg fahren. »Ablesung, Drehzahl achtundsechzigtausend pro Minute, Geschwindigkeit vierhundertachtundneunzig Stundenkilometer, Turbinenreaktortemperatur gleichbleibend bei zwölfhundert Grad Celsius.« Ihre Stimme wurde von der Sprechfunkkontrolle übertönt. Im Kopfhörer klang Duncans Summe noch schnarrender als gewöhnlich. »Du näherst dich der Achtundsechzigtausend-Grenze, mein Junge.«
»Wir haben sie schon erreicht«, sagte ich.
»Alle Ablesungen sind normal«, gab er zurück. »Geh bis auf siebzigtausend und halt das Tempo eine Minute lang. Ich werde dir die Zeit ansagen. Cindy, stoppen Sie mit Ihrer Uhr, für den Fall, daß der Sprechfunk aussetzt.«
»Verstanden«, sagte Cindy. Ihre Hand mit dem Chronometer
tauchte vor mir auf.
Ich gab noch mehr Gas. Unmittelbar darauf ertönte wieder
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