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Der Clan

Titel: Der Clan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ich im Flugzeug nach Genf.
    Dr. Hans hob den letzten Gazetupfer von meiner Wange ab und legte ihn auf das Tablett. Er beugte sich vor und betrachtete mein Gesicht aus der Nähe. »Drehen Sie den Kopf!«
    Ich gehorchte. Zuerst nach rechts, dann nach links.
    »Lächeln Sie!« sagte er.
    Ich lächelte und fühlte die Spannung im Gesicht. Er nickte. »Nicht übel. Das haben wir gar nicht schlecht gemacht.«
    »Ich gratuliere.«
    »Danke«, sagte er ganz ernst. Er erhob sich von dem Stuhl, auf dem er mir gegenüber gesessen hatte. »Sie müssen noch etwa eine Woche hierbleiben, bis die Röte verschwunden ist. Keine Sorge, die ist völlig normal. Ich mußte die alte, auf Ihrem Gesicht verbliebene Haut abhobeln, damit sie sich zusammen mit der transplantierten Haut neu bildet.«
    Ich nickte. Nach vier Operationen in zehn Wochen kam es mir auf eine Woche mehr oder weniger nicht mehr an.
    Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber nochmals um. »Übrigens«, fügte er hinzu, als sei ihm das nachträglich eingefallen, »wenn Sie wollen, können Sie sich jetzt im Spiegel ansehen.«
    »Das werde ich tun«, sagte ich. »Besten Dank.« Ich machte aber keine Anstalten, um aufzustehen. Seltsamerweise hatte ich keine Eile, mich zu betrachten.
    Er wartete einen Augenblick. Als er sah, daß ich nicht aufstand, nickte er und verließ das Zimmer. Seine sechs Gehilfen folgten ihm.
    Ich blieb sitzen und beobachtete die englische Schwester, die das chirurgische Tablett abräumte und die Verbände in einen Abfallkorb leerte. Sie sah nicht auffallend zu mir her, aber ich bemerkte ihre Seitenblicke.
    Als sie das nächstemal an mir vorbeiging, faßte ich sie an der Hand und drehte sie zu mir herum. »Was meinen Sie, Schwester?« fragte ich. »Ist es so schlimm?«
    »Keineswegs, Mr. Perino«, sagte sie schnell. »Ich weiß nicht, wie Sie vor Ihrem Unfall ausgesehen haben. Aber ich sah Sie, als Sie zu uns kamen. Die Veränderung ist ganz erstaunlich. Sie haben ein interessantes Gesicht. Fast würde ich sagen, schön.«
    Ich lachte. »Schön war ich nie.«
    »Sehen Sie es sich doch selbst an.«
    Ich stand auf und ging ins Badezimmer. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel. Ich schaute hinein.
    Plötzlich wußte ich, was man empfand, wenn man Dorian Gray war und nie alt wurde. Es war fast das gleiche Gesicht, das ich mit fünfundzwanzig gehabt hatte. Beinahe. Aber es gab feine Unterschiede. Die Nase war schmaler, fast eine Adlernase. Der Arzt hatte das ursprünglich Italienische daraus entfernt. Die Backenknochen lagen eine Spur höher, machten mein Gesicht schlanker und länger und mein Kinn rechteckiger. Verschwunden waren die Wülste, die sich unter meinen zerfetzten Brauen gebildet hatten, und die weißen Brandnarben. Meine Haut war ganz rosa, neu und glänzend wie bei einem Baby. Nur die Augen paßten nicht in das Gesicht. Es waren alte Augen, achtunddreißig Jahre alte Augen. Die hatten sich nicht verändert, die hatte man nicht verjüngen können, um sie dem übrigen Gesicht anzupassen: In ihnen lag immer noch der Schmerz und der grelle Sonnenschein und das Licht von tausend Rennstrecken der ganzen Welt.
    Ich sah im Spiegel die Schwester, die hinter mir auf der Schwelle stand, wandte mich um und streckte die Hand aus. »Schwester.« Sie kam schnell auf mich zu und fragte besorgt: »Fühlen Sie sich nicht ganz wohl, Mr. Perino?«
    »Geben Sie mir bitte einen Kuß.«
    Einen Augenblick sah sie mir in die Augen, dann nickte sie. Sie nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände und zog es zu sich nieder. Sie küßte mich.
    Zuerst auf die Stirn, dann auf jeden Backenknochen, auf beide Wangen und schließlich auf den Mund. Ich spürte die sanfte Freundlichkeit, die von ihr ausging. Ich zog mein Gesicht zurück.
    Sie hatte Tränen in den Augen, und ihre Lippen zitterten. »Habe ich Ihnen geholfen, Mr. Perino?« fragte sie leise.
    »Ja, Schwester«, sagte ich. »Ich danke Ihnen.«
    Sie hatte mir wirklich geholfen.
    »Das wird teuer werden«, sagte Loren Hardeman III müde.
    Ich saß ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Schreibtisches.
    Ich war zwei Jahre jünger als er, aber er sah bedeutend älter aus. Vielleicht lag das am Büro.
    Es war altmodisch in schwerem dunklem Holz getäfelt. Die Stühle und die Couch aus schwarzem Leder, die Bilder von Autos und Autorennen an der Wand alt und verblichen. Aber es war das Büro, zuerst das seines Großvaters, dann das seines Vaters und nun das seine. Das Büro des Mannes, der Bethlehem Motors leitete.
    Er

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