Der Clan
den Kindern gehört?« fragte sie.
»Ich sprach mit Junior am Telefon. Er wollte rüberkommen. Aber ich habe ihm gesagt, er soll dortbleiben. Sally ist jeden Tag fällig.«
»Gut«, flüsterte sie, »er muß bei seiner Frau bleiben. Wo sie so lange auf das erste Baby gewartet haben.«
»Gar so lange war es nicht.«
»Sie sind fast vier Jahre verheiratet. Ich dachte schon, ich würde nie Großmutter.«
»Was ist daran so wichtig?« fragte er. »Ich fühle mich nicht als Großvater.«
Sie lächelte. Er sah nicht aus wie ein Großvater, er war mit einundfünfzig noch ein junger Mann. Groß, breit und männlich, strotzend vor Lebenskraft.
Sie drehte den Blick zum Fenster. Draußen schien die helle Floridasonne am klaren blauen Himmel, und die Brise raschelte durch die leise schwankenden Palmen. »Ist es schön draußen?« fragte sie.
»Ja, ein herrlicher Tag.«
Ihre Augen hingen noch immer am Fenster.
»Mir gefällt es hier wunderbar, Loren. Ich möchte nicht zurück nach Detroit.«
»Wir haben keine Eile«, sagte er. »Zuerst mußt du wieder gesund werden.«
Sie wandte sich um, ihr Blick ruhte fest auf ihm. »Du weißt, was ich meine, Loren. Nachher. Ich möchte hierbleiben.«
Er schwieg.
Sie drückte seine Hand. »Verzeih mir, Loren.«
»Du hast keinen Grund, dich zu entschuldigen«, sagte er heiser.
»Doch«, antwortete sie schnell. Es gab so vieles, was sie ihm sagen wollte und ihm bis jetzt nie hatte sagen können. Aber jetzt war alles klar. Die Triumphe, die Mißerfolge, das Lachen, der Schmerz. Es gab so vieles, was sie gemeinsam erlebt hatten, und soviel mehr noch, was sie hätten teilen können und nicht geteilt hatten. Nun sah sie das alles deutlich. »Ich war nie genug Frau für dich«, flüsterte sie. »Nicht, daß ich es mir nicht gewünscht hätte, aber ich konnte es nicht. Du hast es gewußt, nicht wahr? Daß ich es sein wollte.«
»Du redest Unsinn«, sagte er barsch. »Du warst immer eine gute Frau, die einzige Frau, die ich nur je gewünscht habe.«
»Ich weiß, Loren, daß ich eine gute Frau war«, sagte sie lächernd, fast vorwurfsvoll. »Aber das ist es nicht, wovon ich rede.«
Er schwieg.
»Du sollst wissen, daß ich dir die anderen nie übelgenommen habe. Ich wußte, was du brauchtest, und war auf irgendeine komische Weise froh, daß du es bekommen hast. Mein einziger Kummer war, daß ich, die dir alles geben wollte, nicht das Zeug in mir hatte.«
»Du hast mir mehr gegeben, als eine Frau je einem Mann gab, mehr als irgendeine Frau mir gegeben hat«, sagte er ernst. »Du hast mich nie enttäuscht. Vielleicht habe ich dir unrecht getan, aber ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt. Das glaubst du mir doch, Elisabeth?«
Sie sah ihm lange in die Augen, dann nickte sie leise. »Und ich habe dich immer geliebt, Loren«, flüsterte sie. »Von dem Augenblick an, als ich vor so langer Zeit in deinen kleinen Fahrradladen in Bethlehem kam.« Sie hielt seine Hände fest, und die Erinnerung durchströmte sie und ihn lebendig und frisch.
Es war ein warmer Sommertag in Bethlehem gewesen. Die großen Stahlwerke hatten Samstagabend die Glut ihrer Schmelzöfen gedrosselt, und nur dünne graue Rauchfahnen stiegen aus den Kaminen auf. Die Sonne schien, als Elisabeth ihr Fahrrad aus der Seitentür ihres Hauses schob. Sie war mit ihrer Freundin verabredet.
Der Korb an der Lenkstange war voller Köstlichkeiten für das geplante Picknick. Sie hatte es ihrer Mutter nicht gesagt, aber es sollten auch zwei junge Männer daran teilnehmen.
Die Mutter war in solchen Dingen sehr streng. Bevor sie erlaubte, daß Elisabeth mit einem Mann zusammentraf, mußte er zur Begutachtung ins Haus kommen, und wenn das vorbei war, hatte man es ihm so unbehaglich gemacht, daß Elisabeth ihn meistens nicht mehr zu Gesicht bekam. Jetzt war sie klüger geworden. Sie hatten sich mit den jungen Männern am Stadtrand verabredet, wo ihre Eltern ihnen kaum begegnen würden.
Ihre Freundin erwartete sie; auch an ihrer Lenkstange hing ein vollgepackter Korb. Sie fuhren los, die breiten Krempen ihrer Hüte flatterten im Wind und zerrten an den Bändern, die sie unter dem Kinn zugebunden hatten. Sie unterhielten sich lebhaft, während sie durch die stillen Straßen fuhren. So früh am Morgen herrschte noch nicht viel Verkehr. Die Kutschen würden erst später herauskommen, wenn es Zeit für die Messe war. Dann waren die Straßen überfüllt, und man kam nur schwer durch, weil jeder Fahrer sein Pferd zu schnellerer Gangart
Weitere Kostenlose Bücher