Der Clan
Wange. »Du siehst reizend aus.«
»Ich sehe entsetzlich aus, und das weißt du!«
»Eine großartige Party!« sagte er und schaute sich im Raum um.
»Ja, aber ich wollte, wir hätten sie nie gegeben. Irgendwie scheint das alles so sinnlos. Aber Loren bestand darauf.«
»Es sieht doch sehr amüsant aus«, meinte Angelo.
»Ja, hoffentlich vergnügt er sich«, antwortete sie sarkastisch.
»Wo ist die Debütantin?« fragte er. »Soll ich ihr nicht gratulieren oder dergleichen? Ich weiß nicht genau, wie man sich bei solchen Anlässen benimmt.«
Sie lachte - zum erstenmal an diesem Abend. »Du bist wunderbar, Angelo. Du dürftest der einzige aufrichtige Mensch sein, den es in Detroit noch gibt.« Sie schaute umher. »Ich sehe sie nirgends, sie muß mit ihren Freunden ins Spielzimmer gegangen sein.«
»Ich finde sie schon.«
»Komm«, sagte sie und faßte ihn am Arm, »ich such’ dir ein hübsches junges Ding zum Tanzen.«
»Wie wär’s denn mit dir?«
»Ich?« fragte sie erstaunt. Sie zögerte. »Ich weiß nicht, ich müßte eigentlich hierbleiben. Einer muß ja.«
»Warum?«
Sie starrte ihn einen Augenblick an, dann nickte sie. »Weißt du was? Du hast völlig recht; es gibt gar keinen Grund, weshalb
ich hier herumstehen sollte.«
Er führte sie aufs Parkett und begann mit ihr zu tanzen. Zuerst war sie ein wenig steif. Er zog sie enger an sich. »Entspanne dich«, sagte er lächelnd. »Auf deiner eigenen Party darfst du dich amüsieren.«
Sie lachte wieder, und sie tanzten. Sie legte den Kopf an seine Schulter, und nach einiger Zeit sah sie ihn an: »Danke, Angelo.«
»Wofür denn?«
»Daß du mir das Gefühl gibst, wirklich hierzusein. Ich hatte den ganzen Abend den seltsamen Eindruck, daß ich es nicht bin.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Du weißt doch, was vorgeht«, sagte sie. »Alle wissen es. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Loren diese Frau in der Wohnung oben im Verwaltungsgebäude der Fabrik aushält und daß ich übermorgen nach Reno fahre. Die Leute sehen mich mit dem gewissen >Die Königin ist tot, es lebe die Königin<-Blick an. Es war schon sehr merkwürdig. Sie wissen nicht genau, wie freundlich sie sein sollen.«
»Du redest dir allerhand ein«, sagte er. »Du bist hier aufgewachsen, diese Leute waren immer deine Freunde. Ob du mit Loren verheiratet bist oder nicht, macht nicht viel Unterschied.«
»Es gab einmal eine Zeit«, sagte sie mit traurigem Blick, »da glaubte ich das auch. Heute bin ich da nicht mehr so sicher.«
Der Schlager ging zu Ende, und sie blieben auf dem Parkett stehen. Hinter ihnen ertönte eine Frauenstimme: »Alicia, meine Liebe! Wo hast du diesen hinreißenden Mann die ganze Zeit versteckt?« Sie wandten sich um, und Angelo sah das wundervoll gekleidete Paar, das neben ihnen stand. Das Gesicht der Frau kam ihm irgendwie bekannt vor.
Alicia lächelte. »Angelo Perino, meine Schwägerin und ihr
Mann, Prinz und Prinzessin Alekhine.«
Die Prinzessin streckte die Hand aus, Angelo ergriff sie. »Küssen oder schütteln?« fragte er lächelnd.
»Sie dürfen beides«, antwortete sie lachend. »Und ich heiße Anne. Sie sind mit meinem Bruder zur Schule gegangen, aber wir haben uns nie kennengelernt.«
»Mein Pech.« Er küßte ihr die Hand und wandte sich dann ihrem Mann zu.
Der Prinz war größer als Angelo, mit dichtem schwarzem, graumeliertem Haar und hellen Augen in dem kraftvollen, gebräunten Gesicht. Sein Händedruck war fest und direkt. »Nennen Sie mich Igor«, sagte er mit tiefer, freundlicher Stimme. »Ich habe mich darauf gefreut, Sie kennenzulernen. Wir müssen uns über vieles unterhalten. Ich möchte, daß Sie mir alles von dem neuen Wagen erzählen.«
»Das hat Zeit«, sagte Anne. »Morgen könnt ihr Männer lange genug über Geschäfte sprechen.« Die Musik setzte wieder ein. »Du tanzt mit Alicia, Igor«, befahl sie. »Ich möchte alles über den neuen Mann in Detroit erfahren.«
Sie schmiegte sich in seinen Arm mit einer Sicherheit, als sei sie dort zu Hause. Er schaute sie an. »Sie haben zu viele Illustrierte gelesen«, sagte er.
»Natürlich«, gab sie zurück. »Was, glauben Sie, tun die Amerikaner in Europa sonst mit ihrer Zeit? Sie lesen Illustrierte und bleiben dadurch auf dem laufenden. Es gibt ihnen das Gefühl dazuzugehören.«
»Sie könnten nach Hause kommen.«
»Sind Sie aber geschickt«, sagte sie lächelnd. »Schnell das Thema wechseln! Aber so leicht kommen Sie mir nicht aus. Ich habe den Artikel in Life gelesen, den
Weitere Kostenlose Bücher