Der Club der Teufelinnen
ein Pressefuchs und zudem ein völlig abgebrannter. Was dachte er sich eigentlich?
Höchstwahrscheinlich hatte er nicht einmal mehr genug dabei, um ihr einen Drink zu spendieren. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, um zu riskieren, daß etwa einer von den Sicherheitskräften seine Kamera öffnete oder ihn kurzerhand hinauswarf. Und trotzdem folgte er Elise durch die vergoldeten Drehtüren. Gott sei Dank hatte er heute einen Blazer und einen Schlips an, aber er war sich nicht sicher, ob man ihm den Zutritt nicht doch verweigern würde. Wenn er sich möglichst unauffällig verhielt, könnte er es vielleicht schaffen. Entschlossen folgte er Elise die elegante Treppe hinauf. Sie dürfte ihn noch nicht bemerkt haben. Das ganze war einfach lächerlich, aber er konnte nicht anders.
Elise betrat Bemelman's Bar und nahm in einer Ecke Platz. Die Beleuchtung war gedämpft, so wie sie es mochte. So konnte niemand sehen, wie sie sich gehen ließ. Denn genau das tat sie, und die Folgen wurden allmählich unübersehbar.
Es war natürlich noch zu früh für einen Drink, aber sie würde trotzdem einen nehmen. Heute hatte sie ihn nötig, zur Beruhigung. Sie hatte absolut keine Lust, wieder nach Greenwich zurückzufahren, und genausowenig Lust hatte sie auf ihr Apartment in der Stadt und auf ein eventuelles Zusammentreffen mit Bill.
Also blieb sie wohl am besten gleich hier, in Bemelman's Bar. Hier hatte sie sich schon immer wohlgefühlt. So viele angenehme Erinnerungen verbanden sich mit diesem Ort. Hierher war sie nach ihrem Debütentenball gekommen. Hier war es, wo sie Howard, ihrem Agenten begegnet war, wo sie erfahren hatte, daß MGM sie unter Vertrag nahm. Hier war sie 1961 gewesen, in der Nacht der Oscar-Verleihung, als sie ihren Außenseitererfolg feierte. Hier war sie Gerard begegnet. Alles waren nur gute Erlebnisse gewesen.
Dabei hatte es zeitweilig auch weniger Angenehmes in ihrem Leben gegeben. Gewiß, bei ihr sah das immer noch anders aus als bei anderen Leuten. Daß sie eine der drei reichsten Frauen Amerikas war, machte sie anders. Sie wußte das, hatte schon vor langer Zeit gelernt, es zu akzeptieren. Aber ein paar Dinge mußten doch überall dieselben sein. Doch welche waren das, und woran konnte sie sie erkennen? War dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit bei allen dasselbe, oder war nur sie davon betroffen?
Unter so ganz anderen Umständen aufzuwachsen, war nicht einfach gewesen, auch wenn sie unter der Anleitung ihrer Mutter gelernt hatte, Neid und Mißgunst ihrer Mitmenschen nicht an sich heranzulassen. Das hatte natürlich seinen Preis: Nie konnte sie ganz sie selbst sein, schon gar nicht im Umgang mit Fremden. Aber vor der Einsamkeit hatte auch ihre Mutter sie nicht bewahren können. Es war ja nicht nur das Geld, das sie von den übrigen getrennt hatte. Als sie heranwuchs, waren auch ihr gutes Aussehen und ihre Intelligenz immer mehr aufgefallen, und diese Dreierkombination war mehr, als viele verkraften konnten. Wegen ihres Großmuts und ihrer Freundlichkeit war sie immer beliebt gewesen, aber trotzdem immer auch sehr einsam.
Auch wenn dies im Widerspruch zu stehen schien zu ihrer Publizität, vor allem als sie nach dem Tode ihres Vaters ihr Erbe antrat. Immer war sie bemüht gewesen, freundlich und entgegenkommend zu sein und ihren Reichtum nicht so deutlich zu zeigen. Als sie das College besuchte, war sie mit dem Bus gefahren, statt mit einem eigenen Wagen, und war wie ihre Klassenkameradinnen immer nur in preiswerte Restaurants gegangen. Trotzdem war sie immer anders gewesen und hatte keine wirklichen Freunde gehabt.
Sie hatte das College vorzeitig verlassen, um nach Hollywood zu gehen. Und zuerst schien das die ideale Umgebung für sie zu sein. Dort scherte es keinen Menschen, daß sie eine der reichsten Frauen der Welt war. Sie konnte, wie nie zuvor, ein ganz normales Leben führen.
Bis auf die Männer. Ständig war sie von ihnen umschwirrt, von jungen, talentierten, cleveren, reichen. Sie waren einfach umwerfend, und sie war ständig neu verliebt. Verschreckt von ihrem eigenen Hunger nach Zuneigung und nach Sex, stürzte sie sich in das Desaster ihrer ersten Ehe mit einem jungen Adonis. Zum Glück war da Onkel Bob gewesen, der zusammen mit dem Studioanwalt die Angelegenheit schnell und gütlich hatte regeln können.
Dann hatte das alte Studiosystem begonnen auseinanderzufallen. Sie hatte erkannt, daß der Markt immer mehr nach jugendlichen Gesichtern verlangte und daß ihre eigene
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