Der Club der Teufelinnen
Popularität zu schwinden begann. Sie war zu formell, zu altmodisch. Ihre Anrufe wurden nicht mehr erwidert, ihr Agent ließ sie fallen. Zum allerersten Mal versagte die Schutzfunktion ihres Geldes, konnte sie das Gewünschte nicht bekommen.
Auf dem Filmfestival in Cannes war es dann gewesen, wo sie mit Truffaut zusammengekommen war. Er hatte ihr zugeredet, im europäischen Film zu arbeiten. Sie hatte sich dazu nur schwer entschließen können, aber dann war es ihr erstaunlich leichtgefallen, sich in ihre neue Welt einzuleben. Truffaut war bemüht gewesen, sie mit den brillantesten, avantgardistischen Köpfen jener Zeit zusammenzubringen. Er war der erste Mann, der nicht etwas von ihr verlangt hatte, sondern bemüht war, ihr zu geben, was das beste für sie war. Unter seiner Anleitung war sie als Schauspielerin regelrecht aufgeblüht. Probleme gab es nur einmal, als ihre Affäre mit einem Filmpartner, einem französischen Sexsymbol, aus dem Ruder zu laufen drohte.
Um diesem Problem zu entgehen, hatte sie sich für Bill Atchison entschieden. Und heute war Bill das Problem. Sie seufzte. Zwanzig Jahre waren sie nun schon verheiratet, aber es war nur zu offensichtlich, daß Bill ihrer seit langem überdrüssig war. Schon seit Jahren hatte sie immer wieder über seine sich häufenden Seitensprünge hinweggesehen, auch wenn es nur allzu eindeutig war, mit den Anrufen von ›Klientinnen‹, den langen ›Überstunden‹ bis tief in die Nacht. Denn sie wollte diese Ehe erhalten. Sie wohnten in East Hampton, und die Woche über war er immer in der Stadt geblieben. Aber neuerdings verbrachte er auch die Wochenenden dort. Nachdem sie ihn gestern auch nicht hatte erreichen können, um ihm den Tod von Cynthia mitzuteilen, war auch klar, daß sie keine Ahnung hatte, wo er seine Nächte verbrachte. Bislang waren diese Demütigungen nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, aber jetzt drohten sie, jederzeit publik zu werden. Langsam begann sie zu befürchten, daß Bill vorhatte, sie zu verlassen.
Um ehrlich zu sein: Sie liebte Bill und ihr gemeinsames Leben. Alle Bemühungen in den letzten Jahren erwiesen sich nun als vergeblich. Jetzt sah sie ein, daß sie ihre Karriere besser nicht aufgegeben und sich nicht zu einem Anhängsel seines Lebens gemacht hätte. Er nahm sie als selbstverständliches Beiwerk, ignorierte sie. Wie lange hatte er sie nun schon nicht mehr berührt? Seit Acapulco? Sie zählte nach: elf Monate. Und wie lange davor nicht?
Vielleicht handelte es sich nur um einen neuen Abschnitt in ihrer Ehe. Trotzdem konnte sie sich nicht verhehlen, daß sie Angst hatte wie nie zuvor. Und dann hatte sie mit dem Trinken angefangen, um mit dieser Angst fertig zu werden. Sie brannte in ihrem Magen, ließ ihre Hände zittern.
Maurice, der Barmixer, den sie seit gut zehn Jahren kannte, trat an ihren Tisch. Sie bestellte einen Courvoisier und hoffte, daß ihr davon nicht übel wurde. Nur diesen einen, versprach sie sich, wie immer. Nur einen einzigen. Aber als Maurice ihr den Brandy brachte, stürzte sie ihn hinunter und bestellte gleich den nächsten. Wie immer.
Sie hoffte, daß sie keine derartige öffentliche Demütigung würde erleiden müssen, wie Cynthia, wenn Bill sie verlassen sollte. Mußte er sie denn verlassen? Lieber Gott, laß mich nicht so enden, wie Cynthia. Sie holte tief Luft, versuchte sich zusammenzureißen. Er würde es nicht wagen. Doch zum ersten Mal hatte er damit gedroht. Für wichtige Leute entstanden daraus heutzutage keine Probleme mehr. Es schadete nicht mehr dem Ruf. Schließlich war sogar Ronald Reagan zum zweiten Mal verheiratet gewesen und trotzdem Präsident geworden.
Elise begann die Wärme des Alkohols zu spüren. Sie lächelte. Ich muß mir eben klar darüber sein, daß ich nur eine Zahl in einer demographischen Statistik bin, in einer sich wandelnden Umwelt: Ein Hoch auf die Neunziger. In dieser Dekade darfst du dich vom Sex verabschieden, Elise, und dich unwiderruflich dem Alter anheimgeben.
Mein Gott, was war noch unappetitlicher als eine geschiedene Fünfundfünfzigjährige? Eine geschiedene Sechzigjährige.
Sie gab Maurice ein Zeichen, der gerade am Tisch des einzigen anderen Gastes stand. Er kam zu ihr hinüber: »Verzeihung, gnädige Frau, aber jener Herr besteht darauf, Sie zu kennen, und hat mich gebeten, Ihnen einen Drink zu bringen. Ist Ihnen das recht?«
Sie schaute hinüber. Ohne ihre Brille hatte sie nicht den geringsten Anhaltspunkt. Jemand, den sie kannte? Sie nahm ihre
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