Der Club der Teufelinnen
noch höher klettern. Ich werde weltweit zur absoluten Spitze zählen. Gil raste die Frank-Roosevelt-Schnellstraße entlang, um mit kreischenden Bremsen an seinem Stellplatz in der unterirdischen Garage seines Bürohochhauses zum Stehen zu kommen. Nächste Woche würden sie fest in das Apartment in der Fifth Avenue einziehen, auch wenn dort immer noch ein wüstes Durcheinander herrschte. Er würde nicht mehr so häufig fahren können, und er würde es vermissen. Er tätschelte das Armaturenbrett, stieg aus und war mit wenigen Schritten beim Aufzug. In der Lobby führte der Pförtner mit respektvollem Gruß seine Hand zum Mützenschirm, um dann gleich im fünfundvierzigsten Stock das Eintreffen des Vorsitzenden des Unternehmens anzukündigen.
Ein zweiter Pförtner trat flink vor und öffnete mit einem eigenen Schlüssel den privaten Aufzug zum Büro, drückte auf ›45‹ und sagte »Guten Morgen, Mr. Griffin.«
Gil hatte beide Pförtner ignoriert und die Zeitung aufgeschlagen. Wenn er die Grüße von Hinz und Kunz erwidern wollte, käme er überhaupt nicht mehr zum Arbeiten.
In der Vorstandsetage erwartete ihn bereits seine Sekretärin, Mrs. Rodgers, so wie er es erwartet hatte.
»Guten Morgen, Mr. Griffin.«
Im Vorübergehen fragte er nur: »Was stehen heute für Termine an?«
Mrs. Rodgers überflog ihren Terminkalender, während sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Übergewichtig und nahe dem Pensionsalter fand sie es von Mal zu Mal schwieriger, mit Gil Griffins Geschäftstempo mitzuhalten, aber nachdem sie nun sechzehn Jahre bei ihm durchgestanden hatte, war sie eisern entschlossen, bis zum Fünfundsechzigsten durchzuhalten. Jeden Morgen stand sie um halb sechs auf und war um halb acht im Büro. Es schien, als ob die Fahrt zum Büro immer länger dauerte, und so manches Mal, insbesondere an einem kalten Wintermorgen wie heute, war sie kurz davor aufzugeben. Aber bis zur Ziellinie werde ich es noch schaffen! redete sie sich dann selbst gut zu.
Während sie so auf Gils Büro zueilte, hatte Stuart Swann das Pech, gerade jetzt aus seinem Zimmer zu treten. Typisch, dachte Gil, der ihn aus den Augenwinkeln wahrnahm und ihm, ohne den Kopf zu wenden, zuwarf: »In meinem Büro, Stuart, in fünfzehn Minuten.«
Kurz vor der Tür zu seinem Büro gelang es Mrs. Rodgers, ihn nicht ganz ohne Mühe zu überholen und ihm zu öffnen, so daß er seinen Schritt nicht zu verlangsamen brauchte. Ein Nicken war der Lohn. Er trat hinter seinen Schreibtisch, während die atemlose Mrs. Rodgers auf einem der mit burgunderrotem Leder bezogenen Stühle davor Platz nahm.
»Der Verwaltungsrat möchte wissen, ob die Sitzung um vierzehn Uhr als Abendessen im Speiseraum oder als normales Treffen im Konferenzzimmer geplant ist.«
Bei dem Gedanken an ein gemeinsames Essen mit diesen Speichelleckern verzog Gil ganz leicht die Mundwinkel und entschied: »Dreizehn Uhr, im Konferenzzimmer.« Er würde das Japangeschäft aufs Tapet bringen, das echte, nicht das fälschlich lancierte.
»Sonst noch etwas, Mr. Griffin?«
»Ja. Lassen Sie das Salz von meinem Wagen abwaschen. Und wenn Stuart Swann kommt, melden Sie ihn nicht an. Sagen Sie ihm, daß er noch warten soll.«
Er bemerkte, wie sie bei diesen Worten die Augen senkte. In den sechzehn Jahren pflichtbewußter Tätigkeit für ihn, hatte sie nie etwas gegen eine seiner Anordnungen gesagt. Wenn er es recht bedachte, konnte sie ihn wohl nicht besonders gut leiden, aber das war ihm egal, solange sie ihre Arbeit erledigte, und zwar gut erledigte. Zwei Assistentinnen halfen ihr dabei, und auch ohne die Prämien und Gewinnbeteiligungen war es der höchstbezahlte Sekretärinnenjob in New York. Eine Kündigung konnte sie sich einfach nicht leisten. Und das wußten sie beide.
Er ging hinüber zum Fenster. Er hatte es nie geschafft, seine Höhenangst zu überwinden, war aber sehr bemüht, diese Schwäche andere nicht merken zu lassen. Deshalb hatte er nicht nur das höchste Stockwerk, sondern dort auch die größten Panoramafenster für sich reserviert. Die antiken Fenster mit ihren kleinen Butzenscheiben aus unregelmäßigem Glas waren dabei sein geheimer Halt.
Hätte er hinabgeblickt, dann wäre sein Blick auf die wichtigste Straße Amerikas gefallen, auf die Wall Street. Und er war ihr ungekrönter König. Das war es, was ihm den Lendenkitzel verschaffte, für den zu leben ihm lohnend schien.
Das war das Größte. Kein Autorennen, keine Rennboote, noch nicht einmal Sex kam an das Gefühl
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