Der Club der Teufelinnen
begann zu verschwinden, Sylvies breites Gesicht verzog sich, ein Mundwinkel begann zu zucken. »Geh nicht«, wiederholte sie lauter.
»Aber jetzt bist du hier in deiner neuen Schule, hier bei Dr. Gancher, zusammen mit Pangor. So, wie wir es besprochen haben.«
Sylvie riß sich von Dr. Gancher los und stürzte zu Annie. »Nein, nein!« Sie schlang ihre Arme um Annies Hals und preßte ihren Kopf unter Annies Arm. »Nein!«
»Es ist am besten, wenn Sie in den Wagen steigen«, sagte Dr. Gancher ruhig und nahm Sylvie wieder bei der Hand. Sie schrie gellend, als sie sanft aber bestimmt weggezogen wurde. Annie stand wie angewurzelt. Dr. Gancher gab ihr einen sanften Stoß. Annie ging zum Wagen. Ihre Tochter versuchte, sich aus dem fremden Griff zu befreien. »Nein, Mami, nein!« Annie kämpfte mit den Tränen, als Hudson ihr die Wagentür öffnete und sie einstieg.
»Geh nicht! Bitte, bitte, geh nicht!« Hysterisch, schreiend, das Gesicht rot und tränenüberströmt, fiel Sylvie auf die Knie. »Bitte, Mami, geh nicht fort!«
Hudson setzte sich ans Steuer. Zwei Wärterinnen waren aus dem Haus gekommen und standen nun neben Dr. Gancher, die neben Sylvie kauerte und sie fest in die Arme genommen hatte. Sylvies Arme aber streckten sich flehend nach Annie aus.
»Fahren wir?« fragte Hudson mit leiser Stimme.
»Ja«, gelang es Annie hervorzustoßen. Sie konnten Sylvies Schreie hören, bis sie das Tor erreicht hatten.
9
Morty, du gemeines Stück
Annie hat recht, dachte Brenda. Ihr eigenes Leben mag ja auch total verkorkst sein, aber was ihre Ratschläge für mich betrifft, da hat sie völlig recht. Brenda betrat ihr Apartment. Im Wohnzimmer wühlte sie in den Schubladen der Kredenz. Irgendwo befanden sich dort ihre Scheidungsunterlagen und Bankauszüge. Jetzt suchte sie zwischen leeren Umschlägen, unausgefüllten Einzugsermächtigungen und zerknüllten Tempotaschentüchern nach der Adresse, die Duarto ihr gegeben hatte. Diana La Gravenesse, Rechtsanwältin. Ausschließlich für Frauen- und Scheidungsangelegenheiten. Annie hatte recht. »Nimm dir einen guten Rechtsanwalt.« Ein guter Tip. Sie hatte lange über ihr Gespräch nach der Gymnastikstunde nachgedacht. Jetzt würde sie handeln. Sie ging zum Telefon und wählte die Nummer.
Es war nicht einfach, einen Termin zu bekommen. Der Sekretär der La Gravenesse hatte sie mit einem in drei Wochen abspeisen wollen, aber Brenda war stur gewesen. »Es handelt sich um einen Notfall, und ich brauche den Termin heute.« Sie war grob zu der kleinen Tunte gewesen. Normalerweise mochte sie Homos, und Duarto war eine Wucht, aber bei diesem Typen sträubten sich ihr die Nackenhaare, der war ihr zu kleinkariert.
So, nun hatte sie ihren Termin. Und nun? Sie konnte da nicht alleine hin. Aber Annie konnte sie nicht fragen. Annie war auch so schon völlig fertig.
Blieb Duarto. Er war immer hilfsbereit und, was noch wichtiger war, er war witzig. Sie würde ihn bitten, mit ihr zu kommen, denn sie hatte Angst. Sie war dumm gewesen, und wenn sich nun herausstellen sollte, daß diese Dummheit nicht mehr rückgängig zu machen war, würde sie daran für eine lange Zeit zu tragen haben. Und davor hatte sie Angst. Allein schaffte sie es nicht. Sie rief Duarto an.
»Principessa, cara!« Duarto sprühte geradezu vor Energie. »Va bene?«
»Ich fühle mich wie ein toter Hund, wenn du es wirklich wissen willst. Was soll der Scheiß mit der principessa?«
»Es beeindruckt diese Bauern, wenn du es wissen willst«, erklärte er mit unterdrückter Stimme. »Das Glückskind ist hier. Ich sitze bis zum Brusthaar in Stoffproben, und diese Zimtzicke fragt nach immer mehr. Zweihundertzwanzig verschiedene Türkis-Schattierungen sind immer noch nicht genug. Sie ist grad Pipi machen gegangen, aber sie hat gehört, wie ich dich principessa genannt habe. Jetzt wird sie noch eine Stunde hierbleiben.« Er seufzte. Brenda wußte, daß er für Gayfrieda Schiff arbeitete, eine Professionelle, die das Glück gehabt hatte, von ihrem Wohltäter geheiratet zu werden. Und jetzt gab John Schiff über zehn Millionen für die Einrichtung ihrer Dreiundvierzigzimmerwohnung an der Park Avenue aus. ›Glückskind‹ war der Codename, den Duarto Gayfrieda gegeben hatte. »Wenn ich daran denke, wie mein Talent vergeudet wird. Ein harter Broterwerb. Also, sag, was hast du?«
Brendas Brust zog sich zusammen. Sie konnte ihn nicht fragen. Er hatte zu tun. Sie mußte allein hingehen. »Morty steigt ins Aktiengeschäft ein. Ich
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