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Der Club der Teufelinnen

Titel: Der Club der Teufelinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goldsmith Olivia
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ein problemloser, sonniger Charakter. Doch schließlich hatte Aaron immer Alex vorgezogen, und sie selbst war ganz in der Fürsorge für Sylvie aufgegangen. Chris war vorzeitig von Princeton abgegangen, um jetzt bei seinem Vater in der Werbeagentur zu arbeiten. War das nur ein Versuch, doch noch die Aufmerksamkeit seines Vaters zu gewinnen? Chris und Alex, beide arbeiteten hart, und beiden winkte der Erfolg. Aber wußten sie auch, was Freude bedeutete? Waren sie wirklich zufrieden? Denn das war es letztlich, worauf es einzig und allein ankam.
    Durch Sylvie war ihr das alles bewußt geworden. Ohne große Anstrengung war es Sylvie gelungen, Annies Wertmaßstäbe umzustoßen. Es kam nicht darauf an, wieviel man verdiente, wie man aussah, was man erreichte, wen man kannte und was man alles besaß. Es kam noch nicht einmal darauf an, wie klug jemand war. Alles das war unmaßgeblich. Jedes Gebot, daß Annie verinnerlicht, jeder Wertmaßstab, den sie gläubig übernommen hatte, erwies sich nun als unerheblich. Katholizismus, immer lieb und nett sein, immer attraktiv sein, Unangenehmes übersehen, verleugnen. Alles das war falsch, so falsch. Wenn man sich jedoch erst einmal all dieser Gebote entledigt hatte, schien die Welt beängstigend lächerlich.
    Jenseits des East River sah Annie die Sonne über einer von Menschen geschaffenen Landschaft aufgehen, ein letztes Mal mit Sylvie daheim. »Denn die Erde ist des Herrn und die Fülle darauf und alle die darauf wandeln«, murmelte sie. Sie war nicht religiös und schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten. Trotzdem spürte sie die Wahrheit und Schönheit einiger Psalmen. Und ihren Trost. Heute hatte sie ihn nötig.
    Heute wird Sylvie fortgehen, dachte sie. Schon vor Cynthias Beerdigung hatte Annie öfter nachts geweint, heimlich, denn es regte Sylvie immer ganz furchtbar auf, wenn Annie weinte. Sie wußte, daß die Trennung für Sylvie hart werden würde. Aber sie lebte von Augenblick zu Augenblick, und solange diese Augenblicke mit Sonnenschein, einem Lieblingstier, gutem Essen und Freunden gefüllt waren, war alles in Ordnung. Aber was ist mit mir? Aaron glaubt, ich täte es meinetwegen. Was für ein Irrtum. Dies ist ein Geschenk von mir an sie. Und noch nie ist mir etwas so schwergefallen. Annie wischte sich über die Augen und holte tief seufzend Luft. Vielleicht ist das der Beginn meines dritten Lebensabschnitts, meines Lebens ohne Sylvie.
    Und vielleicht war es auch ein neuer Beginn für Sylvie. Sie hat diese Schule bitter nötig, gleichgültig was Aaron und Alex dagegen sagten. Annie hatte gesehen, was geschah. Tag für Tag, Jahr für Jahr umgeben von anderen, die klüger und fixer waren als sie, war Sylvie immer stiller, immer einsamer geworden. Annie sah ein, daß ihre Tochter nicht das bekam, was sie so nötig hatte.
    Anders als ihre eigene Mutter lief Annie aber vor Problemen nicht davon. Sie kämpfte für Sylvie. Sie hatte Sylvan Glades aus allen Sonderschulen und Internaten ausgesucht, und wenn es sie auch schier zerriß, ihr kleines Mädchen in die Hände von Fremden zu geben, so wußte sie doch, daß sie genau das tun mußte. Und Chris, dem Himmel sei Dank, hatte Sylvies Bedürfnisse erkannt und ihr zugestimmt.
    Die Ironie wollte, daß Aaron ihr in all den Jahren zuvor immer vorgeworfen hatte, Sylvie zu sehr zu umsorgen, sie zu verwöhnen. Er hatte versucht, diese Ansicht als selbstlose Besorgnis erscheinen zu lassen, doch Annie wußte, daß es anders war. Ich glaube nicht, daß er irgend etwas oder irgend jemand zu lieben imstande ist, das derart unvollkommen ist. Er ist nun einmal so. Ein mongoloides Kind zu haben, paßte nicht mit seinem Selbstverständnis zusammen. Es hatte ihn betroffen gemacht, und es war für ihn nur schlimmer. Mit zehn war sie nicht mehr so niedlich wie mit sechs, und mit dreizehn war sie überhaupt nicht mehr niedlich. Für ihn war sie schlicht und einfach ein Fehlschlag.
    Und noch etwas anderes ließ immer mehr zu wünschen übrig. Nach Sylvies Geburt war alles anders geworden. Es war eine schwierige Geburt gewesen. Und nachdem sie sich erholt hatte, waren Annie Depressionen geblieben. Aaron eignete sich schlecht als Tröster. Vor Schwierigkeiten pflegte er davonzulaufen. Er verlangte von ihr, ›darüber hinwegzukommen‹. Als sie schließlich wieder miteinander geschlafen hatten, konnte sie keinen Orgasmus mehr erreichen. Seit damals nicht ein einziges Mal.
    Zuerst hatte Aaron sich bemüht, Geduld aufzubringen. Annie hatte sich

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