Der Club der Teufelinnen
nicht damit gerechnet, daran teilnehmen zu müssen. Klamotten im Wert von 3.000 Dollar am Leibe, und trotzdem nicht passend angezogen.
So etwas irritierte ihn, ganz ohne Zweifel. Im Wettkampf der Werbeagentur – und es war ein Kampf um Sieg oder Untergang – war er absolute Spitze. Und deshalb wußte er auch, wie wichtig es war, immer richtig angezogen zu sein. Auf jeden Fall war er für das bevorstehende Treffen nicht richtig angezogen. Und außerdem ging ihn das auch gar nichts an. United Foods war Jerrys Angelegenheit, zum Teufel noch mal! Was sollte das ganze Theater? Wieder nur so ein Sturm im Wasserglas. Klar, er war immer derjenige, der die Räder schmierte, für gut Wetter sorgte, neue Kunden einfing, aber warum war Jerry nicht einmal dazu fähig, einen zufriedenen Kunden bei der Stange zu halten? Wenn sie beide weiter an einem Strang ziehen sollten, war es an der Zeit, daß Jerry sich etwas mehr ins Zeug legte.
Spring Street. Gleich war er beim Loft von Anton, der für die Aufnahmen in diesem Auftrag zuständig war. Ein junges Mädchen in der für diese Gegend typischen Aufmachung – enge schwarze Leggins, weiter Pulli, verrückte Mütze auf der wilden Haarmähne – kam aus einem Eingang gestürzt und warf ihm ein strahlendes Lächeln zu. Die Nachmittagssonne ließ den kleinen Ring in ihrem rechten Nasenflügel aufblitzen. Aaron erwiderte das Lächeln. Himmel, es war einfach toll hier! Schon vor Jahren hatte er Annie gebeten, daß sie hierher umziehen sollten, damals, als die Lofts noch spottbillig und die noch illegale Behausung einiger weniger Künstler, Tänzer, Fotografen und all jener gewesen waren, die so ein Leben zu schätzen wußten. Aber Annie hatte sich an den fehlenden Gemüseläden, Schulen und Bibliotheken gestoßen. Immer vernünftig. Sie hatte gemeint, daß es für Sylvie zu schwierig sein würde. Sylvie, immer nur Sylvie. Aaron mußte den Kopf schütteln. Aber eigentlich war es auch egal. Höchstwahrscheinlich hätte er ihr bei seinem Auszug sowieso alles überlassen müssen. Jetzt suchte er und Leslie nach einem größeren Loft als ihr gemeinsames auf dem West Broadway. Es war zu ärgerlich, daß seine finanzielle Situation derzeit so angespannt war – wegen der Scheidung, wegen Sylvie und wegen Alex' Studium.
Aaron war nicht daran gewöhnt, rechnen zu müssen. Geldsorgen hatte er nie gekannt, außer in jener gräßlichen Zeit, als er und Annie gerade verheiratet waren. Er hatte schon früh Erfolg gehabt, und dann war auch von der Familie Geld dazugekommen. Er ging davon aus, daß er noch mehr erwarten konnte, wenn sein Vater starb. Typisch. Nur durch Erfolg oder Tod kam man zu Geld.
Immerhin war er ein Paradise aus der Newport-Linie und von der Mutterseite her ein Bennet. Er war zur richtigen Grundschule gegangen, hatte zur Mannschaft der Knickerbocker Grays gehört und die Tanzschule von Mrs. Stafford besucht. Studium in Yale und Heirat mit einem Mädchen aus der richtigen Familie. Nur einmal war er kurz vom rechten Wege abgekommen, und zwar als er sich als Autor von Bühnenstücken versucht hatte.
Aber das war nichts gewesen. Das Leben eines Autors hatte ihn fast in den Wahnsinn getrieben. Es wurde ihm klar, daß er Trubel brauchte, das Zusammensein mit Menschen und Verantwortung. Trotz seiner verwöhnten Kindheit hatte er Köpfchen. Darauf war er stolz. Und er war tüchtig. Also setzte er sich hin und schrieb Texte für Werbespots. Darin war er nicht zu schlagen. Er wußte, wie man Kunden gewann und wie man sie sich gewogen hielt. Werbung war die Sache für ihn. Und sein gesellschaftlicher Hintergrund vermittelte ihm ein Gefühl der Überlegenheit über all die anderen Typen in der Branche. Es hatte schon etwas Beruhigendes, immer der am besten abgesicherte Teilnehmer einer Runde zu sein. Sein Partner Jerry Loest war dagegen wohl der unsicherste Teilnehmer einer jeden Runde.
Aaron beschleunigte seinen Schritt, während er sich fragte, wie lange er wohl noch eine weitere Zusammenarbeit mit Jerry ertragen konnte. Als sie die Agentur gründeten, schien es die perfekte Partnerschaft zu sein. Jerry als das Wunderkind mit den ausgefallenen Ideen und der außergewöhnlichen visuellen Ästhetik zusammen mit Aaron, dem gewieften Texter mit dem Händchen für die Kunden. Inzwischen waren sie fünf Partner, alle kreative, anregende Menschen. Paradise/Loest expandierten unvermindert. Der ganze talentierte Nachwuchs drängte danach, bei ihnen mitzuarbeiten, auch wenn die Bezahlung
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