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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Besprechung mit dem Geschäftsführer und dem Hartz-Vorstand. Wie seriös alles abgelaufen war. Wie typisch schweizerisch. Sie waren natürlich skeptisch gewesen, doch nachdem er ihnen die übersetzte Musterse i te vorgelegt ha t te, war ihnen das Wasser buchstäblich im Mund zusammengelaufen. Der Codex würde ihnen viele Milliarden einbringen. Die meisten Pharmaunternehmen hatten Forschungsabteilungen, die sich um Eingeborene n medizin kümmerten -aber der Codex war das medizinische Koc h buch, das alles enthielt, und er, Julian Clyve war - von Sally abgesehen - der einzige Mensch auf dieser Welt, der es a b solut exakt übersetzen konnte. Der Hartz-Konzern musste zwar mit den Broadbents eine Vereinbarung treffen, doch als größtes Pharmaunternehmen der Welt konnte er natürlich ordentlich was springen lassen. We l chen Nutzen hatte der Codex für die Broadbents ohne seine sprachlichen Fähigke i ten? Es würde alles korrekt ablaufen, darauf hatte man bei Hartz natürlich besta n den. So waren die Schweizer nun mal.
    Clyve fragte sich, wie Sally wohl reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass der Codex im Maul eines gigantischen mu l tinationalen Konzerns verschwinden sollte. So wie er sie kannte, war sie bestimmt nicht erfreut darüber. Aber wenn sie anfingen, die zwei Millionen Dollar zu genießen, die Hartz ihm als Finderlohn zugesagt hatte - ganz zu schwe i gen von der großzügigen Vergütung, die er für die Übe r setzung zu erhalten hoffte -, würde sie sicher darüber hi n wegkommen. Er würde ihr zeigen, dass diese Handlung s weise absolut richtig war, denn Hartz befand sich in der besten Position, um neue Medikamente zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Es war wirklich richtig. Die En t wicklung neuer Medikamente kostete Geld. Niemand en t wickelte sie gratis. Profit hielt die Welt in Gang.
    Und was ihn selbst betraf: Ein paar Jahre Armut waren ja ganz nett, wenn man jung und idealistisch war, aber sobald man die dreißig überschritten hatte, wurde sie unerträglich. Und Professor Julian Clyve näherte sich rapide seinem dreißigsten L e bensjahr.

58
     
    Nach einem zehnstündigen Marsch in die Berge erreichten Tom und seine Brüder einen kahlen, windigen Kamm. Sie hatten einen atemberaubenden Ausblick auf ein gewaltiges Meer aus Gipfeln und Tälern, die sich in abgestuften Vi o letttönen dem Horizont entgegenschraubten.
    Borabay machte eine Geste: »Sukia Tara, die Weiße Stadt.«
    Tom kniff angesichts der hellen Nachmittagssonne die Augen zusammen. Etwa sieben oder acht Kilometer vor ihnen, hinter einer Schlucht, ragten zwei Bergspitzen aus weißem Gestein auf. Dazwischen lag ein flacher Sattel, der an beiden Seiten w e gen der tiefen Schluchten unzugänglich und von gezackten Gipfeln umgeben war: Ein einsamer Grünsteifen, ein üppiges Stück Nebelwald, das den Ei n druck erweckte, als sei es irgendwo abgebrochen, erstreckte sich nun zwischen zwei Fängen aus we i ßem Gestein am Rand eines Abgrundes schwankend. Tom hatte eine Ru i nenstadt mit weißen Türmen und Mauern erwartet. Doch er sah nichts als einen dichten, wuchtigen Teppich von Bäumen.
    Vernon hob sein Fernglas, nahm die Weiße Stadt in A u genschein und gab das Fernglas dann an Tom weiter.
    Durch die Vergrößerung wirkte das grüne Vorgebirge massiver. Tom suchte es langsam ab. Das Plateau war dicht mit Bäumen bestanden. Ein undurchdringliches Dickicht aus Lianen und Schlingpflanzen schien es zu bedecken. Welche Ruinenstadt auch in diesem seltsamen terrassena r tigen Tal liegen mochte, der Dschungel hatte sie ausgiebig vereinnahmt. Als er das Gewoge genauer untersuchte, e r kannte er hier und da weißliche Stellen, die sich von der Vegetation abhoben und eine Art Muster ausprägten: E c ken, durchbrochene Mauerstücke, dunkle Vierecke, die wie Fenster aussahen. Und als er etwas begutachtete, das er für einen steilen Hügel hielt, begriff er, dass es sich um die Ruine einer wild überwucherten Pyramide handelte. An einer Seite klaffte ein Loch - eine weiße Wunde im lebend i gen Grün.
    Die Mesa, auf der man die Stadt erbaut hatte, war tatsächlich eine Art Himmelsi n sel. Sie hing, durch kahle Klippen von der übrigen Sierra Azul getrennt, zwischen den beiden Gipfeln. Sie wirkte auf Tom wie abgeschnitten, bis er dann über einer Schlucht etwas gekrümmtes, gewundenes Gelbes sah: eine primitive Hängebrücke. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass sie von Soldaten bewacht wurde. Sie nutzten die Ruinen einer

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