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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Pingo ließen die Motoren zu Wasser und schalteten sie ein. Die Boote fuhren auf das gegenüberliegende Seeufer zu. Tom lehnte sich gegen den Ausrüstungsstapel und genoss den köstlichen Luftstrom, während Kniich, das Äffchen, aus seiner Hemdtasche kletterte und auf seinem Kopf thronend mitfuhr. Dabei schloss er die Augen, schnalzte mit der Zunge und schnatterte zufrieden vor sich hin. Tom hatte fast vergessen, wie sich kühle Luft auf der Haut anfühlte.
    Sie lagerten an einem Sandstrand auf der anderen Seite des Sees. Chori und Pingo gingen auf die Jagd und kehrten eine Stunde später mit einem ausgenommenen und zerle g ten Hirschen zurück. Die blutigen Teile hatten sie in Pal m wedel gewickelt.
    »Ausgezeichnet!«, rief Don Alfonso. »Heute Abend essen wir Hirschkoteletts, Tomas. Alles Übrige räuchern wir für den Rest der Reise!«
    Er briet die Lendenstücke über dem Feuer, während Pingo und Chori gleich nebenan über einem zweiten Feuer ein Räuchergestell bauten. Tom schaute interessiert zu, als sie mit den Macheten fachmännisch lange Fleischstreifen a b schnitten und aufhängten. Dann stapelten sie feuchtes Holz auf das Feuer und erzeugten so wohlriechende Rauchwo l ken.
    Die Koteletts waren bald fertig. Don Alfonso verteilte sie. Als sie aßen, brachte Tom eine Frage auf, die er schon lange hatte stellen wollen: »Wie geht es von hier aus weiter, Don Alfonso?«
    Don Alfonso warf einen Knochen hinter sich in die Du n kelheit. »Fünf Flüsse strömen in die Schwarze Lagune. Wir müssen herauskriegen, welchen Ihr Vater hinaufgefahren ist.«
    »Wo entspringen sie?«
    »Ihre Quellen liegen in den Bergketten im Landesinnern. Einige kommen aus der Cordillera Entre Rios, manche aus der Sierra Patuca und manche aus der Sierra de la Neblinas. Der Macaturi ist der längste Fluss. Er entspringt in der Sie r ra Azul, die auf halbem Weg zum Pazifik liegt.«
    »Kann man Boote auf den Flüssen navigieren?«
    »Angeblich in den unteren Abschnitten.«
    »Angeblich?«, fragte Tom. »Dann waren Sie also noch nicht dort?«
    »Keiner aus meinem Volk war je dort. Das Land da dr ü ben ist sehr gefährlich.«
    »Wieso?«, fragte Sally.
    »Die Tiere dort fürchten keine Menschen. Dort gibt es Erdbeben, Vulkane und böse Geister. Und außerdem eine D ä monenstadt, aus der nie jemand zurückkehrt.«
    »Eine Dämonenstadt?«, fragte Vernon plötzlich intere s siert.
    »Ja. La Ciudad Bianca. Die Weiße Stadt.«
    »Was ist das für eine Stadt?«
    »Die Götter haben sie erbaut. Ist lange her. Jetzt besteht sie nur noch aus Ruinen.«
    Vernon nagte an einem Knochen, dann warf er ihn ins Feuer. Schließlich sagte er ernst: »Das ist die Antwort.«
    »Auf welche Frage?«
    »Auf die Frage, wo Vater hingegangen ist.«
    Tom schaute ihn an. »Du machst ziemlich große Sprünge. Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber das ist genau der Ort, an den V a ter gehen würde. Eine solche Geschichte würde ihm gefa l len. Er würde sie bestimmt überprüfen. Außerdem basieren solche Geschichten oft auf der Wahrheit. Ich wette, er hat dort eine versunkene Stadt gefunden, irgendeine große alte Ruine.«
    »Aber in diesem Gebirge gibt es angeblich keine Ruinen.«
    »Wer sagt das?« Vernon nahm ein weiteres Kotelett von den Palmwedeln und ließ es sich schmecken.
    Tom fielen die Worte des rotgesichtigen Derek Dunn ein: Dass Anakondas angeblich keine Menschen fraßen. Er wandte sich Don Alfonso zu. »Ist die Existenz der Weißen Stadt allgemein bekannt?«
    Don Alfonso nickte langsam. Sein Gesicht verzog sich zu einer faltigen Maske. »Man redet darüber.«
    »Und wo liegt sie?«
    Don Alfonso schüttelte den Kopf. »Sie liegt nicht an einem bestimmten Ort. Sie wandert über die höchsten Gipfel der Sierra Azul, ist stets an einem anderen Ort und verbirgt sich im Bergnebel.«
    »Dann ist sie ein Mythos.« Tom schaute Vernon an.
    »Oh, nein, Tomas, es gibt sie wirklich. Es heißt, man kann sie nur erreichen, indem man eine bodenlose Schlucht überquert. Wer ausrutscht und stürzt, stirbt vor Angst, und dann stürzt der Körper weiter ab, bis er nur noch aus Kn o chen besteht, die immer weiter in die Tiefe fallen, bis sie sich voneinander lösen. Und am Ende ist dann nur noch eine Wolke aus Knochenstaub übrig, die dann eine Ewi g keit lang in die Finsternis fällt.«
    Don Alfonso schob ein Holzscheit in die Flammen. Tom schaute zu, wie er anfing zu qualmen und Feuer fing. Die Flammen verzehrten ihn von allen Seiten. Die Weiße

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