Der Cop und die Lady
fragen, wer diese Marta denn eigentlich sei.
„Aber natürlich”, rief Julien aus, „immer wieder vergesse ich, dass für dich ja alles sozusagen neu ist. Marta ist meine Schwester. Sie wird es kaum fassen können, dass du dich nicht mehr an sie erinnerst. Marta vergisst man nicht so leicht, du wirst schon sehen. Außerdem ist sie deine beste Freundin.”
Nina zwinkerte überrascht. „Ach, ja?”
„In der Tat. Und sie war ebenso wie ich total schockiert über das, was dir zugestoßen ist. Sie hat gleich einen Flug gebucht und wird heute Abend hier sein.”
„Wie nett von ihr”, gab Nina matt zurück. Wieder fühlte sie sich vollkommen überwältigt. An einem einzigen Tag hatte sie es nicht nur zu einem Verlobten gebracht, sondern auch noch zu einer neuen besten Freundin.
„Marta ist die einzige, die etwas von unserer Verlobung weiß”, hörte sie Julien wie durch einen Nebel hindurch sagen. „Vor ihr konnten wir es natürlich nicht geheim halten, das versteht sich ja von selbst.”
„Natürlich nicht”, stimmte sie mechanisch zu.
„Und in der kommenden Woche wollen wir es Armand mitteilen”, fuhr er eifrig fort, „und dann …”
„Apropos Armand”, fiel ihm Nina ins Wort, „das erinnert mich daran, dass Armand mir erzählt hat, dass wir ein paar Meinungsverschiedenheiten hatten.
Stimmt das?”
„Meinungsverschiedenheiten?” Julien runzelte die Stirn. „Was denn für Meinungsverschiedenheiten?”
„Ach, irgendwas die Firma betreffend. Laut Armand habe ich die Ansicht vertreten, dass wir mehr mit Modeschmuckdesignern zusammenarbeiten sollten, während du weiterhin nur auf den Import von hochkarätigen Steinen setzt.”
Juliens Gesicht hellte sich auf. „Ach, das”, sagte er mit einem munteren Auflachen. ,,Du darfst das, was Armand sagt, nicht auf die Goldwaage legen, Liebes. Er ist ein sehr gefühlvoller Mensch, wie du ja weißt, und je älter er wird, desto mehr beginnt er zu übertreiben. Sicher hatten wir ein paar Meinungsverschiedenheiten, aber das war halb so schlimm. Und im übrigen”, schloss er und sah sie dabei zärtlich an, „hast du dich meinem Standpunkt längst angeschlossen.”
„Habe ich das, ja?”
„Aber ja. Ich kann nämlich manchmal wirklich sehr … überzeugend sein.” Seine Stimme enthielt plötzlich einen so vertraulichen Unterton, dass Nina schnell ein kleines Stück von ihm abrückte. Wie auch immer ihre Beziehung zu Julien einst gewesen sein mochte, im Moment verspürte sie keinerlei körperliche Anziehungskraft ihm gegenüber. Julien schien ihr Bedürfnis nach Distanz akzeptieren zu können, er gab ihr durch nichts zu verstehen, dass er sich etwa abgewiesen oder gekränkt fühlen könnte. Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass er wirklich große Geduld mit ihr hatte, aber sie fragte sich dennoch, wie lange sie wohl anhalten würde.
Als sie später am Nachmittag bei Nina zu Hause in der Küche saßen und Tee tranken, bat Julien sie, ihm alles über die Schießerei zu erzählen. Sie sagte ihm, was sie wusste. Es war nicht viel. Dann wollte er genau wissen, was in den letzten Tagen passiert war, wobei es ihm besonders der Einbruch in ihrer Wohnung angetan zu haben schien.
„Und du kannst dir wirklich nicht denken, wonach sie gesucht haben?”
erkundigte er sich bereits zum zweitenmal.
„Keine Ahnung. Ich denke immer noch, dass es Junkies waren, die dringend Bargeld brauchten”, gab sie erschöpft zurück. „Warum machst du denn so ein Aufheben davon?”
„Es beunruhigt mich einfach. Vielleicht kommt der Einbrecher ja zurück. Du bist hier nicht sicher, ich finde, du solltest…”
„Ich finde, du solltest die Sache einfach vergessen und mich mein Leben leben lassen, so wie ich es für richtig halte”, schnitt sie ihm mit Bestimmtheit das Wort ab. „Ich denke überhaupt nicht daran, meine Wohnung zu räumen, Julien, falls es das ist, was du sagen wolltest.”
„Ist ja gut, ist ja gut.” Er hob beschwichtigend eine Hand. Aber offensichtlich konnte er nicht aufhören, über das, was er ihren „Unfall” nannte, nachzugrübeln.
„Und du erinnerst dich wirklich an nichts mehr?” fing er ein paar Minuten später wieder an. „Du weißt nicht, wer auf dich geschossen hat?”
„Nein.”
„Erstaunlich. Was sagt denn die Polizei dazu?”
Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, aber sein Gesicht verriet nichts als freundliches Interesse.
„Sie geht davon aus, dass es Zufall war. Vielleicht ein Querschläger. Es gibt ja immer
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