Der Coup von Marseille
unsere Konkurrenten investieren. Und vergessen Sie nicht die persönlichen Aspekte. Hat jemand von ihnen Schulden? Irgendwelche Laster? Mätressen? Einen Hang zu den Damen vom horizontalen Gewerbe? Wie stehen sie zu Patrimonio? Gibt es Gerüchte über Bestechungen?« Reboul hielt inne, und Sam hörte das Klirren von Glas, das auf einen Tisch zurückgestellt wurde. »Nicht dass ich auch nur in Betracht ziehen würde, solche Insiderinformationen zu meinem Vorteil auszuschlachten.«
»Natürlich nicht.«
»Aber im Geschäftsleben sind sie Gold wert. Man kann nie zu viel davon haben.«
»Ich werde daran denken, Francis.«
»Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend, mein Freund. Bon appétit .«
Sam lächelte, als er auflegte. Rebouls Stimme hatte einen sehnsüchtigen Unterton enthalten, als hätte er ihnen beim Abendessen nur zu gerne Gesellschaft geleistet.
Sie waren mit Philippe im Bistrot d’Edouard an der Rue Jean Mermoz verabredet, ein Tribut an Elena. Er hatte ein lateinamerikanisches Restaurant gewählt, damit sich la bomba latina auf Anhieb heimisch fühlte. Darüber hinaus würde sie, wie Philippe prophezeite, von der riesigen Auswahl an Tapas hingerissen sein.
Sam war schon auf der Türschwelle hingerissen: Das Restaurant sah so aus, wie seiner Meinung nach ein gutes Restaurant auszusehen hatte – eine Reihe schlichter, intim wirkender Räume, unauffällige weiße Papiertischdecken, Wände in leuchtenden Farben, unten ochsenblutrot, oben weiß, an denen riesige Schiefertafeln mit den Weinen und Tapas des Tages hingen. Die ersten Gäste hatten bereits das Jackett ausgezogen und die Servietten in den Hemdkragen gesteckt, stets ein Zeichen für gesunden Appetit und gutes Essen, und die junge Frau hinter der Bar begrüßte sie mit einem Lächeln.
Sie wurden ein paar Stufen hinauf zu einem Ecktisch im ersten Stock geführt, wo neben einem gefüllten Eiskübel ein strahlender Philippe auf sie wartete, der bei ihrem Anblick aufsprang und Elena an seine Brust drückte. Es folgten eine Runde Komplimente und Ausrufe des Entzückens, und Sam, der sich an derartige Ausbrüche männlicher Zuneigung zu gewöhnen begann, wurde mit einem Kuss auf beide Wangen bedacht. Schließlich forderte Philippe sie atemlos auf, Platz zu nehmen, und schenkte Wein ein.
»Was für eine wunderbare Überraschung!«, sagte er. »Was führt euch hierher? Wie lange bleibt ihr? Wo seid ihr abgestiegen? Aber zuerst lasst uns anstoßen.« Er hob sein Glas. »Trinken wir auf die Freundschaft.« Er lehnte sich zurück, noch immer strahlend, und bot Elena und Sam die Gelegenheit, die Veränderungen zu bewundern, die er seit der letzten Begegnung in Los Angeles an seinem äußeren Erscheinungsbild vorgenommen hatte.
Vorher hatte er einen Kleidungsstil bevorzugt, den er als »Söldnerchic« zu beschreiben pflegte – Hosen und Jacken aus Restbeständen der Armee, eintönige olivfarbene Kappen, die für den Frondienst in der Kaserne typisch waren, und Fallschirmspringerstiefel. Seine schwarze Haarmähne wucherte dicht und ungestört von jedem Kamm vor sich hin.
Das Martialische war verschwunden und Che Guevara einem Tom-Ford-Verschnitt gewichen. Die neue Inkarnation von Philippe hatte kurz geschorenes Haupthaar, kaum länger als die dunklen Stoppeln des Dreitagebarts, die sein Gesicht zierten. Sein Outfit war rasiermesserscharf: Abgespeckter schwarzer Anzug, ein am Hals aufgeknöpftes Hemd, das weißer war als weiß, und auf Hochglanz polierte schwarze Schuhe. Er hätte glatt als modebewusster Fußballer oder als Fahnen flüchtiger der Filmfestspiele in Cannes durchgehen können, die gerade in der ein Stück weiter an der Küste gelegenen Stadt stattfanden.
»Habt ihr den Unterschied bemerkt?« Philippe ließ ihnen keine Zeit zu antworten. »Ich habe mon look verändert. Mimi aus meiner Redaktion ist jetzt für meine persönliche Präsentation verantwortlich. Was sagt ihr dazu?«
»Wo ist die Sonnenbrille?«, fragte Elena. »Und wie wäre es mit einem Ohrring?«
»Und wo ist die Rolex?«, hakte Sam nach.
Philippe zerrte grinsend die Manschette hoch und voilà, da kam sie zum Vorschein: ein protziger Karfunkelstein aus rostfreiem Stahl, garantiert wasserdicht bis zu einer Tiefe von tausend Fuß.
Sam schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich gratuliere dir zu Mimi. Sie hat dich in eine Stilikone verwandelt. Ich hoffe, du hast deinen Motorroller behalten.«
» Mais bien sûr . Das ist das einzig wahre Fortbewegungsmittel in Marseille.
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