Der Dämonen-Turm Traumtor-Trilogie Band I (German Edition)
Dann blickte sie Targil fragend an.
Er hatte zwischenzeitlich die Pferde der Toten abgesattelt und ihnen das Zaumzeug abgenommen. So waren sie nun in der Lage, frei umher zu streifen. Mitnehmen wollte er sie nicht, denn sie hätten ihn nur behindert. Nun trat er auf Deina zu.
„Bist du fertig?“ fragte er. „Dann komm! Ich reite nach Menhag und werde dich sicher dorthin geleiten. Dort wirst du wohl bald eine neue Heimat finden. Die Flüchtlinge werden die Leute in Torlond wohl schon gewarnt haben, aber ich weiß nicht, ob man in Menhag schon von der Bedrohung durch Zolkar erfahren hat. Vielleicht gelingt es mir, genügend Männer zu finden, dass wir ihn und seine Horden aufhalten können. Wenn nicht, können sich die Leute wenigstens in Sicherheit bringen.“
Er half Deina in den Sattel und saß dann selbst auf. Nachdem sie nun von der Bedrohung befreit und durch das lang entbehrte Essen wieder gekräftigt war, fand Deina auch wieder Interesse an nebensächlichen Dingen. So flog ihr Blick während des Rittes immer wieder zu Targil hinüber und sie begann, den Mann genauer zu betrachten, der ihr weiteres Schicksal bestimmen sollte.
Targil mochte etwa dreißig Jahre zählen. Er war größer als die meisten Valaminen und auch weniger stämmig. Seine Schultern waren breit, trotzdem wirkte er nicht athletisch, sondern eher schlank. Doch als er sie in den Sattel hob, hatte sie die Kraft gespürt, die in seinen sehnigen Armen steckte.
Sein schmales, von der Sonne gebräuntes Gesicht war gut geschnitten, doch hatte es meist einen düsteren Ausdruck. Doch wenn er lächelte, strahlte es einen herben Charme aus. Wenn ihre Blicke sich trafen, war sie immer wieder überrascht von dem klaren Glanz seiner hellblauen Augen, die so wenig zu diesem dunklen Gesicht zu passen schien und ihm doch einen ganz eigenen Reiz gaben.
3. Targils Geschichte
Targil war während des Rittes nicht sehr gesprächig, und auch Deina versuchte nicht, eine Unterhaltung anzuknüpfen. Sie befürchtete, er könne versuchen, sie auszufragen, bevor sie sich eine passende Geschichte zurechtgelegt hatte. Krampfhaft überlegten sie, womit sie ihn dazu bewegen konnte, ihren Plänen zuzustimmen. Was konnte einen Mann wie Targil dazu bringen, einer einfachen Magd zuliebe einen so beschwerlichen Weg zu gehen? Deina zermarterte sich den Kopf, doch als sie am Abend an einem Waldrand lagerten, hatte sie noch keine Lösung gefunden. Bis nach Menhag würden sie noch zwei Tage unterwegs sein und bis dahin musste sie einen Weg gefunden haben, denn sonst gab es für das Mädchen Elda keinen Grund mehr, noch weiter mit einem fremden Mann durchs Land zu ziehen, auch wenn er ihr das Leben gerettet hatte.
Während Targil seinen Bogen nahm, um in der Abenddämmerung ein Wild zu erlegen, entfachte Deina ein Feuer und wusch dann in dem klaren, kalten Wasser des vorbeifließenden Baches ihr Haar, das noch immer von Ruß und Schmutz der brennenden Stadt verklebt war. Sie kühlte ihr geschwollenes Gesicht und spürte deutlich, wie das kalte Wasser die Schmerzen linderte. Sie hoffte, dass dadurch auch die Schwellungen zurückgingen, denn jetzt sah sie keinen Vorteil mehr darin, hässlich zu erscheinen. Im Gegenteil – sie ertappte sich dabei, dass sie wünschte, Targil würde sie hübsch finden. Der mitleidige Blick, mit dem er sie ansah, schien ihr nun nicht mehr nur dem zu gelten, was sie hatte durchmachen müssen, sondern sie mutmaßte, dass er auch Bedauern mit dem armen Mädchen ausdrückte, das zu all dem erlittenen Unglück auch noch so unansehnlich war. Und das ärgerte sie, die stets nur Komplimente über ihre Schönheit gehört hatte, natürlich gewaltig.
Sie ließ sich am Feuer nieder und breitete mit den Händen ihr feuchtes Haar davor aus, um es zu trocknen. Sie hatte in Harkuns Satteltaschen einen hübschen, mit Gold verzierten Kamm gefunden, der wohl einmal einem Mädchen aus Varnhag gehört hatte. So saß sie nun am Feuer, kämmte ihr Haar und wartete darauf, dass Targil zurückkam. Schon wellte sich die fast trockene Haarflut wieder in ihren natürlichen Locken, als Targil endlich mit einem Rehbock auf den Schultern wieder ans Feuer trat. Deina wusste nicht, dass er schon eine Weile im Schatten der Bäume gestanden und ihr zugesehen hatte. Verwundert hatte er das anmutige Bild betrachtet, dass sich ihm darbot. Als er das reiche goldene Haar sah, das im Schein der Flammen erglänzte, ahnte er, dass diese Elda vielleicht
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