Der Dämonen-Turm Traumtor-Trilogie Band I (German Edition)
traf ich auf einige Flüchtlinge aus einem Dorf in der Nähe der Hauptstadt. Sie berichteten, dass Varnhag zerstört sei und die Bewohner, die nicht fliehen konnten, entweder getötet oder von den Kawaren versklavt seien. Ach, entschuldige, ich vergaß – mein Name ist Targil. Ich stamme auch aus Varnhag, doch es ist viele Jahre her, dass ich die Stadt verließ. Doch wer bist du und was hast du getan, dass Zolkar fünf seiner Männer hinter einer flüchtenden Dienstmagd herschickt?“
Als er seinen Namen nannte, hatte Deina ein freudiger Schreck durchfahren. Konnte es denn wahr sein, dass sie den Mann, den sie suchen sollte, schon gefunden hatte? Doch warum hätte er lügen sollen, da er sie ja nicht erkannte und sie für ein einfaches Mädchen hielt?
Deina beschloss, ihn in diesem Glauben zu lassen. Er würde sie kaum hier in der Wildnis lassen, nachdem er ihretwegen vier Männer erschlagen hatte. Zumindest würde er sie zur nächsten Stadt begleiten und auf dem Weg dorthin konnte sie versuchen, ihn für ihr Vorhaben zu gewinnen. In dieser Zeit konnte sie sich auch eine Geschichte ausdenken, die ihn dazu bewegen würde, sie zum Turm von Sku-Ul zu bringen.
Zunächst jedoch war ihr Herz von Dankbarkeit erfüllt, denn sie hatte, kurz bevor sie bewusstlos wurde, Harkuns Verdacht mitbekommen. Mit Schaudern dachte sie daran, was mit ihr geschehen wäre, wenn Targil sie nicht gerettet hätte. Gleichzeitig schlug ihr das Gewissen, dass sie den Mann, dem sie ihr Leben verdankte, belügen musste. Aber vor ihren Augen stand das Gesicht des sterbenden Dardas und seine beschwörenden Worte klangen in ihr wieder. Nein, sie konnte Targil nicht die Wahrheit gestehen und damit vielleicht ganz Valamin ins Unglück stürzen! Deshalb sagte sie nun:
„Ich heiße Elda. Ich war Magd am Hof von König Forn. Als die Kawaren die Stadt stürmten, gelang es mir, mich zu verstecken. Als die Mörder dann ihren Sieg feierten und alle betrunken waren, schlich ich mich zu den Pferden. Ich sah, dass unter ihnen Sama war, die Stute der Prinzessin Deina. Das Pferd kannte mich, denn ich hatte es oft mit Leckerbissen gefüttert, da es so schön ist. So duldete die Stute es, dass ich sie aus dem Pferch holte, und sie gestattete auch, dass ich sie ritt, obwohl sie sonst nur die Prinzessin aufsitzen ließ. Zolkar muss jedoch gemerkt haben, dass das Pferd fehlte, und darum hat er mich wohl verfolgen lassen. Ich verdanke Euch mein Leben, Herr, denn Zolkar hätte mich gewiss grausam zu Tode quälen lassen.“
Der Schauder, der Deina schüttelte, war durchaus echt. Beruhigend legte Targil dem Mädchen die Hand auf die Schulter.
„Schon gut, schon gut, Elda!“ sagte er sanft. „Du bist ja jetzt in Sicherheit. Aber sag mir doch, wo du eigentlichen hin wolltest.“
„Ich weiß es nicht, Herr“, antwortete Deina. „Ich bin einfach geflohen, ohne zu überlegen. Erst als ich an die Felsen kam, wurde mir klar, dass ich dort keine Hilfe finden würde.“ Sie senkte den Kopf und flüsterte: „Ich habe seit fast drei Tagen außer ein paar Beeren nichts gegessen.“
„Ihr Götter! Mädchen, warum hast du das nicht sofort gesagt?“ rief Targil und sprang auf. Aus seiner Satteltasche zog er einen Leinenbeutel. Damit kehrte er zu Deina zurück. Er packte Brot, ein Stück Käse und einige Scheiben gebratenes Fleisch aus und legte ihr alles auf den Schoß.
„Iß aber nicht zu hastig!“ warnte er. „Wenn man lange nichts gegessen hat, kann es einem sonst sehr schnell übel werden.“
Während Deina aß, ging Targil zu den Kawarenpferden und durchsuchte ihre Satteltaschen. Was er an Gold und geraubtem Schmuck fand, legte er neben Deina ins Gras.
„Hier, nimm das!“ sagte er. „Die, denen es gehörte, sind tot, Ihnen kann es nicht mehr nützen. Aber du wirst es brauchen können, und vielleicht wären sie froh, wenn sie wüssten, dass es in deinen und nicht in den Händen ihrer Mörder ist.
Deina hatte die Gabe zuerst zurückweisen wollen. Doch dann sah sie ein, dass Targil Recht hatte. Sie würde Geld brauchen, um sich für die Reise nach Sku-Ul ausrüsten zu können. Außerdem hätte die Verweigerung nicht zu ihrer Rolle als arme Magd gepasst. Als sie sich satt gegessen hatte, sammelte sie daher den kleinen Schatz zusammen und erhob sich. Sie ging zu Sama, die ruhig graste, und verstaute das Gold in einer der Satteltaschen. Sie hob ihren Umhang auf, den Harkun ihr abgerissen hatte, und legte ihn vor den Sattel.
Weitere Kostenlose Bücher