Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Käufer wohnt im selben Haus, einen Stock
tiefer, und nicht nur das, der Schwiegervater von Jorge ist der Bauherr des
ganzen Blocks gewesen.« [33] Kieber verkauft die von Helmut R.
übernommene Wohnung in Windeseile an den Nachbarn im selben Haus. Gemäß
notariell beglaubigtem Vertrag ist der Kaufpreis 29,5 Millionen Peseten. Drei
Tage später verlässt Kieber Spanien in Richtung Liechtenstein.
Das Jahr
steht für Heinrich Kieber unter einem guten Stern: Die beiden
Immobiliengeschäfte in Spanien haben ihn reich gemacht, wenn auch nicht auf
legalem Weg. Denn auch der Kauf der Aktien der Firma Lyonsia und damit der Wohnung in Palma de Mallorca erfolgte mit einem ungedeckten
Scheck. In Liechtenstein wohnt Kieber bei Katharina Hofer. Was er in der Zeit
treibt, wenn er wieder für ein paar Tage und Wochen aus ihrem Leben
verschwindet, erfährt sie nicht. Ab und zu kann sie ihm einige vage Angaben
entlocken: »Er redete von seinem Geschäftspartner in Spanien, der ein
Riesenschiff habe. Sie seien dabei, etwas auszuhandeln. Das klang nicht sauber
… Ich erinnere mich noch, wie er von einem großen Geschäft schwärmte, das er
machen werde. Danach werde er nie mehr arbeiten müssen.«
Erst einmal
bringt Kieber seinen neuen Reichtum in Sicherheit. Am Nachmittag des
22. Oktober 1996 betritt Heinrich Kieber die Filiale der Bank für Arbeit
und Wirtschaft ( Bawag ) im vorarlbergischen Feldkirch
und eröffnet ein Fremdwährungskonto in Schweizer Franken. Auf dem
Kontoeröffnungsformular vermerkt die Bankangestellte handschriftlich, dass der
»Kunde wünscht, dass auf dem Kontoauszug sein Name nicht aufscheint – daher nur
seine Kto. Nr.«. Die erste Einzahlung tätigt er bei Kontoeröffnung: 440.000
Franken in bar, die er am selben Tag von seinem Konto am Hauptsitz der LGT Bank
in Liechtenstein in Vaduz abgehoben hat.
Zwei Tage
später wiederholt er das Prozedere. Er lässt sich die restlichen 273.000
Franken vom Konto bei der LGT in bar auszahlen, passiert mit dem Geld die
Grenze nach Österreich und zahlt es auf sein neues Konto ein, nachdem er die
Herkunft der Mittel durch die Vorlage des Auszahlungsbelegs bei der LGT nachweist.
Dabei fügt er an, dass der Großteil der Geldmittel aus einem Immobilientransfer
stammt. Er beabsichtige, damit eine Immobilie in Österreich oder in Spanien zu
erwerben, erzählt er der Bankangestellten, die die vor ihr liegenden
Tausendernoten sorgfältig zählt. [34]
Helmut R.
und seine Frau Salud sind derweil in Barcelona auf
der verzweifelten Suche nach Kieber, der sie um ihre Wohnung betrogen hat. Sie
fahren zum Port Ginesta , wo die Analia vertäut ist. Auf dem Schiff finden sie keinen Kieber, sondern lediglich einen
älteren Mann, der sich als Mariano M. vorstellt. »Wir sind dann zur Tante von
Heinrich gefahren, der Nonne. Er hatte uns mit ihr im Frühjahr bekanntgemacht.
Jedenfalls sind wir zum Kloster. Heinrich habe unsere Wohnung verkauft, aber
nicht bezahlt. Er sei doch der Sohn von Herrn Hilti. Daraufhin hat die Nonne
gesagt, dass das nicht richtig sei.«
Dem Ehepaar
R. wird auf einen Schlag klar, dass der sympathisch-tollpatschige Kieber sie
eiskalt über den Tisch gezogen und um fast eine Million Mark gebracht hat.
Schwester Carmen ist außer sich: »Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass
er der Familie R. gegenüber so schlecht handeln würde. Die Familie R. hat ihm
stets Vertrauen und Unterstützung geboten. Heinrich selbst sprach von der
Familie R. als seinen besten Freunden.« [35]
Der
Schwester Oberin dämmert, welchen Plan Kieber bei seinem Besuch im Frühling
hatte: »Heinrich hatte großes Interesse daran, dass die Familie R. mich
kennenlernt, dass sie sieht, dass er eine Tante hat, die Nonne ist. Er tat
dies, um bei der Familie R. Vertrauen zu erwecken. Denn sicher bereitete er die
Sache mit der Wohnung vor, denn er sagte mir, er habe vor, die Wohnung zu
kaufen, ich solle jedoch nichts davon sagen, wenn Familie R. mich besucht.« [36] Helmut R. bittet Schwester Carmen, ihm behilflich zu sein. Ihr gelingt es,
telefonisch mit ihrem Neffen in Kontakt zu treten: »›Heinrich‹, sagte ich, ›du
musst Familie R. bezahlen, dies ist Raub.‹ Aber er hat nicht auf mich gehört.
Als er merkte, dass ich seine Lügen nicht glaubte, rief er mich nicht mehr an
und antwortete auch nicht auf meine Anrufe.« [37]
So
überraschend ist Kiebers Entwicklung für Schwester Carmen aber nicht. Schon als
er als Jugendlicher für fast eineinhalb Jahre in ihrer Obhut gewesen war,
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