Der Diamant des Salomon
a ten bereits geschehen sei.
Der Doge erließ eine Proklamation:
Folgende Vorkehrungen sollen verhindern, daß Nicht-Christen d as heiligste F est des k at h olisc h en Ja h res entweihen:
Die Tore des Gietto werden vom Sonnenaufgang a m Gründonnerstag bis z u m Mittagsoffizium a m Sa m stag der darauffolgenden W o che geschlossen, verriegelt und bewacht. Während dieser Zeit werden ebenso alle Fenster des Gietto, die nach draußen blicken, versiegelt, und kein Jude darf bei Androhung schwerster Strafe sich außerhalb des Gietto au f h a lten.
Eine Abteilung Soldaten wurde in einem Nebengebäude von Isaaks Anwesen in Treviso einquartiert. Isaak haßte es, daß die schwerbewaffneten Männer so nahe bei seinem Haus lebten. Eine Woche vor ihrer Ankunft h a tte er d e n kleinen Beutel bei den Viehställen ausgegraben, sonst hätte ihn vielleicht noch ein e r der Soldaten durch Zufall gefunden, w enn er nach Würmern zum Forellenfischen in einem der zahlreichen B äche grub.
Einen Tag nachdem ihm die Tiara und das A uge Alexanders gebracht worden waren, rief Isaak E lia zu sich in die Werkstatt und verschloß die Tür. Dann holte er die beiden Diamanten hervor, legte sie nebeneinander auf seinen Arbeitstisch und mußte lächeln, als er den erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht seines Sohnes sah.
»Zwei?« fr a gte Elia.
»Dieser hier gehört mir, und eines Tages wird er dir zusammen mit deinen Brüdern und Schwestern gehören.«
»Wieviel Land man damit kaufen könnte!« Elia berührte ehrfürchtig den kostbaren K l umpen, den er einmal erben würde. »Sie haben fast dieselbe Größe.«
»Und doch i st einer sehr viel wertvoller als der andere. Welcher von beiden?«
Isaak hatte dem Jungen von frühester Jugend an ebensoviel ü b er E d elsteine wie über den Talmud beigebracht.
Elia setzte sich neben den Stuhl seines Vaters auf den Boden und klemmte sich die L upe ins Auge. »Der Diamant der Kirche«, sagte er enttäuscht. »Er ist perfekt, bis auf diese Schwärzung unten in der Külasse. Der beste, den du mir bisher gezeigt hast.«
»Du hast viel gelernt. Aber du mußt noch mehr lernen. Alles, was ich dir beibringen kann.«
Elia antwortete nicht.
»Von jetzt an«, sagte Isaak sanft, »wirst du weniger das Land bestellen, sondern noch mehr über Edelsteine lernen. In Zukunft wirst du vielleicht nicht mehr viel Land zu bestellen haben.«
De r J u n g e le g t e z u se i n e s Vater s E r staune n de n Kopf au f Isaak s Schoß . »Abe r ic h ma g da s Lan d vie l meh r als di e Dia m anten« , sagt e er , s e in e Stimm e wa r ei n gedämp f te s , v e r z wei f el t e s M u r me l n g e g e n de n S c h e nk e l s e i n e s V a t er s .
Isaak strich ihm über seine zerzausten Haare. »Du mußt dich besser kämmen«, sagte er und streich e lte den Kopf seines Sohnes. »Die Christen haben unendlich viele Leute, die das Land bestellen. Aber sie wissen nur wenig über Edelsteine. Dieses Wissen ist deine Macht und dein einziger Schutz.« Er hob mit der Hand Elias Kopf und zeigte ihm den Diamanten des Vatikans. »Der wurde von unserem Verwandten Julius Vidal geschliffen, einem großen Mei s ter s e i n es Fachs.«
»Wo wohnt er?«
»Er ist schon vor langer Zeit gestorben, drei Generationen, bevor ich geboren wurd e .« Isaak erzählte seinem Sohn, wie V i dal aus Gent, wo der Terror der Inquisition schließlich doch seinen Einzug gehalten hatte, geflohen und nach Venedig gekommen war, wo er im Gietto Unterschlupf gefunden hatte. »Er hat deinem Ururgroßvater die Kunst des Diamantenschleifens beigebracht.«
»Welc h er Zweig unserer Familie st ammt von ihm ab?«
»Ke i n er . I n V e n e d i g b r ac h d i e Pe s t a u s , un d au s irgendeine m Grun d wurde n nu r di e Bewohne r de s Gietto vollständi g vo r ih r verschont . Volle r Grol l w arfe n damal s e i n i g e Chr i s t e n Bünde l m i t Lumpe n üb er d i e M a uer, di e si e v o r h e r a n d e n P e s t be ule n de r Tote n geriebe n hat t e n.
Die Krankheit brach daraufhin auch in dem überfüllten Gietto aus, und Hunderte starben, darunter Vidal, seine Frau und alle ihre Kinder.«
»Diese gemeinen Christenhunde!«
Isaak umarmte seinen Sohn lange. Die Schultern des Jungen wurden breiter als seine eigenen. Isaak erschrak, als er spürte, daß Eli a s Gesicht feucht war.
»Warum lassen sie uns denn nicht in Ruhe?« heulte Elia.
»Angeblich deshalb, weil wir ihren Heiland auf dem Gewissen haben.«
»Aber ich habe ihn doch nicht
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