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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Drink und ein Club Sandwich an der Bar rüber ins White Horse gingen, war das für mich die beste Zeit des Tages.
    » Ja? « , fragte Hobie, ohne sich von seiner Arbeit abzuwenden, als er spürte, dass ich immer noch hinter ihm stand.
    » Es tut mir leid. Ich hatte nicht vor, so weit zu gehen. «
    » Theo. « Der Pinsel verharrte. » Du weißt sehr gut, dass dir jetzt eine Menge Leute auf die Schulter klopfen würden. Und ich will ganz ehrlich mir dir sein, ich empfinde zum Teil genauso, weil ich beim besten Willen nicht weiß, wie du das hingekriegt hast. Sogar Welty– Welty war wie du, die Kunden liebten ihn, er konnte alles verkaufen, aber selbst er tat sich verteufelt schwer, wenn es um Spitzenpreise ging. Original Hepplewhite, original Chippendale! Er wurde das Zeug einfach nicht los! Und du gehst hin und machst ein Vermögen mit diesem Sperrmüll! «
    » Es ist kein Sperrmüll « , widersprach ich, froh, endlich einmal die Wahrheit zu sagen. » Viele der Arbeiten sind wirklich gut. Sie haben mich getäuscht. Ich glaube, du siehst es nicht, weil du sie selbst gebaut hast. Wie überzeugend sie sind. «
    » Ja, aber « , er zögerte, anscheinend um Worte verlegen, » Menschen, die sich mit Möbeln nicht auskennen, zu überzeugen, Geld dafür auszugeben, ist sehr schwer. «
    » Ich weiß. « Wir hatten eine bedeutende Queen-Anne-Kommode mit Krallenfüßen; in den mageren Zeiten hatte ich verzweifelt versucht, sie zu ihrem korrekten Preis– konservativ geschätzt irgendwo zwischen zwei- und dreihunderttausend Dollar– zu verkaufen. Sie stand schon jahrelang im Laden. Und in jüngster Zeit waren durchaus ein paar faire Angebote eingegangen, doch ich hatte alle abgelehnt– einfach weil ein derart unangreifbares Objekt, präsentiert im gut beleuchteten Eingangsbereich des Ladens, einen so schmeichelhaften Glanz auf die Fälschungen weiter hinten warf.
    » Theo, du bist ein Phänomen. Du bist ein Genie in dem, was du tust, keine Frage. Aber « , sein Tonfall wurde wieder unsicher; ich sah, wie er sich vortastete, » nun ja, ich meine, Händler leben von ihrem Ruf. Das System beruht auf Ehre. Nichts, was du nicht wüsstest. Es wird geredet, Gerüchte machen die Runde. Also, ich meine « , er tauchte den Pinsel ein und starrte kurzsichtig auf die Truhe » ein Betrug ist schwer zu beweisen, aber wenn du dich nicht darum kümmerst, schlägt es ziemlich sicher irgendwann später auf uns zurück. « Seine Hand war fest, der Pinselstrich sicher. » Bei einem stark restaurierten Stück… vergiss Schwarzlicht und so was, du wärst überrascht, jemand stellt sie in einen anderen, hell erleuchteten Raum… sogar die Kamera erkennt Unterschiede in der Maserung, die man mit bloßem Auge nicht sieht. Sobald jemand eins dieser Stücke fotografieren lässt oder, Gott bewahre, beschließt, sie bei Christie’s oder Sotheby’s auf einer bedeutenden Auktion amerikanischer Möbel anzubieten… «
    Es entstand ein Schweigen, das– je mehr es zwischen uns anschwoll– immer ernster wurde und nicht mehr auszufüllen war.
    » Theo. « Der Pinsel blieb stehen und strich dann weiter. » Ich will keine Entschuldigung für dich suchen, aber– denke nicht, ich wüsste nicht, dass ich derjenige bin, der dich erst in diese Lage gebracht hat. Dich, ganz auf dich allein gestellt, einfach loszulassen. Zu erwarten, dass du das Wunder der Speisung der Fünftausend vollbringst. Du bist sehr jung, ja « , sagte er knapp und wandte sich halb ab, als ich ihn unterbrechen wollte, » das bist du, und du bist sehr talentiert in allen Aspekten des Geschäfts, um die ich mich nicht kümmern mag, und du warst so brillant dabei, uns wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen, dass es mir sehr, sehr gut gepasst hat, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Bezug auf alles, was oben im Laden passiert. Deshalb bin ich genauso verantwortlich wie du. «
    » Hobie, ich schwöre. Ich wollte nie… «
    » Denn « , er griff das geöffnete Farbdöschen, betrachtete das Etikett, als könnte er sich nicht erinnern, was man damit machte, und stellte es wieder ab, » nun, es war zu schön, um wahr zu sein, oder? All das Geld, das hereinströmte, wunderbar? Und habe ich genauer nachgefragt? Nein. Glaube nicht. Nicht, dass ich wüsste– und wenn du hier oben nicht mit deinem Mumpitz angefangen hättest, müssten wir den Laden wahrscheinlich inzwischen vermieten und hätten uns eine neue Wohnung suchen müssen. Also pass auf– wir fangen ganz von vorne an– Tabula rasa– und

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