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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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möglichen Kleinigkeiten fielen mir plötzlich ein, zum Beispiel der Augenblick vor einigen Monaten, als ich zu Mrs. Barbour hereingekommen war und gehört hatte, wie sie, nachdem es geläutet hatte, mit leiser, eindringlicher Stimme an der Sprechanlage zum Portier gesagt hatte: Nein, das interessiert mich nicht, lassen Sie ihn nicht herauf, halten Sie ihn unten fest. Und keine dreißig Sekunden später war Kitsey, nachdem sie ihre SMS gecheckt hatte, hereingehüpft und hatte ganz unerwartet verkündet, sie gehe kurz mit Ting-a-Ling und Clemmy eine Runde um den Block! Trotz des unübersehbar frostigen Missfallens, das über Mrs. Barbours Gesicht hinweggezogen war, und der erneuerten Wärme und Energie, mit der sie sich– als die Tür sich hinter Kitsey geschlossen hatte– zu mir umdrehte und meine Hand ergriff, hatte ich mir nichts dabei gedacht.
    Wir waren am heutigen Abend verabredet; ich sollte mit ihr auf die Geburtstagsparty einer Freundin gehen und nachher noch auf der Party einer anderen Freundin vorbeischauen. Kitsey hatte nicht angerufen, aber sie hatte mir eine vorsichtige SMS geschickt: Theo, was läuft? Bin auf der Arbeit. Ruf mich an. Ich starrte die Nachricht immer noch verständnislos an und überlegte, ob ich antworten sollte oder nicht– was konnte ich sagen?–, als Boris in den Laden gestürmt kam. » Ich habe Neuigkeiten. «
    » Ach ja? « , sagte ich nach kurzer Pause abwesend.
    Er wischte sich über die Stirn. » Wir können hier reden? « Er sah sich um.
    » Äh… « Ich schüttelte den Kopf, um ihn zu klären. » Ja, sicher. «
    » Mein Kopf ist schläfrig heute. « Er rieb sich das Auge. Sein Haar stand in alle Himmelsrichtungen vom Kopf ab. » Brauche einen Kaffee. Nein, keine Zeit « , sagte er matt und hob die Hand. » Kann mich auch nicht hinsetzen. Kann nur eine Minute bleiben. Aber– gute Nachrichten, ich habe gute Spur zu deinem Bild. «
    » Inwiefern? « Ich erwachte jäh aus dem Kitsey-Nebel.
    » Ja, das werden wir bald sehen « , sagte er ausweichend.
    » Wo « , ich bemühte mich um Konzentration, » wo ist es denn? Wo haben sie es hingebracht? «
    » Diese Fragen kann ich nicht beantworten. «
    » Es… « Ich hatte große Mühe, meine Gedanken zu sammeln. Ich holte tief Luft, zog mit dem Daumen einen Strich über den Schreibtisch, blickte auf…
    » Ja? «
    » Es muss bei einer bestimmten Temperatur aufbewahrt werden, bei einer bestimmten Luftfeuchtigkeit– aber das weißt du, oder? « Das war eine fremde Stimme, nicht meine. » Die dürfen es nicht in einer feuchten Garage oder so was lagern. «
    Boris spitzte auf seine alte, spöttische Art die Lippen. » Glaub mir, Horst hat sich um das Bild gekümmert, als ob es sein eigenes Baby wäre. Aber natürlich « , er schloss die Augen, » von diesen Typen kann ich das nicht sagen. Leider muss ich berichten, sie sind keine Genies. Wir müssen hoffen, sie haben genug Verstand, es nicht hinter dem Pizza-Ofen zu verstecken. Ein Scherz « , sagte er obenhin, als er sah, dass ich ihn entsetzt anstarrte. » Aber nach dem, was ich höre, ist es in einem Restaurant oder in der Nähe eines Restaurants. Im selben Gebäude jedenfalls. Wir reden später darüber « , sagte er und hob die Hand.
    » Hier? « , fragte ich ungläubig. » In der Stadt? «
    » Später. Das hat Zeit. Aber hier ist was anderes. « Sein Ton drängte mich, leise zu sprechen, und er schaute sich über meinen Kopf hinweg im Laden um. » Hör zu, hör zu. Das wollte ich dir nämlich eigentlich erzählen. Horst– der wusste nicht, dass du Decker heißt, bis er mich heute am Telefon danach gefragt hat. Kennst du einen Kerl namens Lucius Reeve? «
    Ich setzte mich. » Warum? «
    » Horst sagt, man soll sich von ihm fernhalten. Horst weiß, du bist Antiquitätenhändler, aber die Verbindung zu dieser anderen Sache hat er erst hergestellt, als er deinen Namen hörte. «
    » Zu welcher anderen Sache? «
    » Horst wollte nicht weiter darauf eingehen. Ich weiß nicht, was du mit diesem Lucius zu tun hast, aber Horst sagt, man soll sich von ihm fernhalten, und ich dachte, es ist wichtig, dass du es sofort erfährst. Er ist Horst in einer ganz anderen Sache böse in die Quere gekommen, und Horst hat Martin auf ihn angesetzt. «
    » Martin? «
    Boris wedelte mit der Hand. » Du kennst Martin nicht. Glaub mir, sonst würdest du dich erinnern. Jedenfalls ist es in deinem Geschäft nicht gut, was mit Lucius zu tun zu haben. «
    » Ich weiß. «
    » Woher kennst du ihn? Wenn ich

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