Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
Vom Netzwerk:
verschwinden. Ich darf nicht rauchen hier drin, oder? « Er sah sich um. » Niemand raucht? «
    Lass uns hier verschwinden. Das waren die einzigen Worte, die ich an diesem Abend von irgendjemandem gehört hatte, die einen Sinn ergaben.
    » Denn du musst sofort nach Hause. « Er versuchte, auf eine vertraute Art meinen Blick auf sich zu ziehen. » Hol deinen Pass. Und– Geld. Wie viel Cash kriegst du zusammen? «
    » Na ja, auf der Bank… « Ich schob meine Brille auf dem Nasenrücken nach oben. Sein Ton machte mich sonderbar nüchtern.
    » Ich rede nicht von der Bank. Oder von morgen. Ich rede von Cash. Jetzt. «
    » Aber… «
    » Ich kann es zurückbekommen, sage ich dir. Aber wir dürfen nicht länger hier herumstehen. Wir müssen gehen. Sofort. Los, ab mit dir « , sagte er und verpasste mir einen freundschaftlichen kleinen Tritt gegen das Schienbein.
    XXXV
    » Da bist du ja, Darling. « Kitsey schob einen Arm durch meine Ellenbeuge und erhob sich auf die Zehenspitzen, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben– einen Kuss, den die Fotografen, die sie umkreisten, gleichzeitig festhielten: der eine kam vom Gesellschaftsteil, der andere war von Anne für den Abend engagiert worden. » Ist es nicht herrlich? Bist du erschöpft? Ich hoffe, meine Verwandtschaft war nicht allzu überwältigend! Annie, Schätzchen « , sie streckte eine Hand nach Anne de Larmessin aus: steifes blondes Haar, steifes Taftkleid, ein runzliges Dekolleté, das nicht zu der Straffheit ihres gemeißelt aussehenden Gesichts passte, » hör mal, es war absolut himmlisch… meinst du, wir können ein Familienfoto machen? Nur du, ich und Theo? Wir drei? «
    » Hör zu « , sagte ich ungeduldig, als unser linkischer Fototermin vorbei und Anne de Larmessin (die offensichtlich keineswegs der Ansicht war, dass ich auch nur im Entferntesten auf ein Familienfoto gehörte) davongeeilt war, um sich von anderen, wichtigeren Gästen zu verabschieden. » Ich muss weg. «
    » Aber « , sie war verwirrt, » ich glaube, Anne hat noch irgendwo einen Tisch reserviert… «
    » Ja, dann musst du dir eine Entschuldigung für mich ausdenken. Das dürfte doch kein Problem für dich sein, oder? «
    » Theo, bitte sei nicht gehässig. «
    » Deine Mutter geht auch nicht mit, da bin ich sicher. « Es war fast unmöglich, Mrs. Barbour dazu zu bringen, zum Essen in ein Restaurant zu gehen, es sei denn, sie war sicher, dass sie dort niemandem begegnen würde, den sie kannte. » Du kannst sagen, ich habe sie nach Hause gebracht. Sag, ihr war schlecht. Sag, mir war schlecht. Gebrauch deine Fantasie. Dir fällt schon was ein. «
    » Bist du verstimmt über mich? « Familiensprache: verstimmt. Andy hatte das Wort benutzt, als wir Kinder waren.
    » Verstimmt? Nein. « Jetzt, da ich es verdaut und mich an den Gedanken gewöhnt hatte (Cable? Kitsey?), erschien es mir fast wie eine miese Klatschgeschichte, die nichts mit mir zu tun hatte. Sie trug die Ohrringe meiner Mutter, sah ich– was auf eine verrückte Weise rührend war, denn sie hatte absolut recht, sie standen ihr nicht–, und es versetzte mir einen Stich, als ich die Hand ausstreckte und erst den Ohrring und dann ihre Wange berührte.
    » Aaahh « , riefen ein paar Zuschauer im Hintergrund, erfreut darüber, dass sie bei dem glücklichen Paar endlich ein bisschen Zärtlichkeit zu sehen bekamen. Kitsey ging sofort darauf ein, sie nahm meine Hand und küsste sie, was prompt zu einer Salve von Fotos führte.
    » Okay? « , fragte ich an ihrem Ohr, als sie sich an mich lehnte. » Wenn jemand fragt, ich bin geschäftlich unterwegs. Eine alte Lady hat mich gebeten, mir einen Nachlass anzusehen. «
    » Ja, natürlich. « Das musste man ihr lassen: Sie war verdammt cool. » Wann kommst du zurück? «
    » Oh, bald « , sagte ich wenig überzeugend. Gern hätte ich diesen Raum verlassen und wäre tagelang, monatelang immer weitergegangen, bis zu irgendeinem Strand, in Mexiko vielleicht, wo ich allein herumspazieren und dieselben Kleider tragen könnte, bis sie verrotteten und mir vom Leib fielen, und dann wäre ich der verrückte Gringo mit der Hornbrille, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdiente, dass er Tische und Stühle reparierte. » Pass auf dich auf. Und lass diesen Havistock nicht zu deiner Mutter in die Wohnung. «
    » Ja « , sie sprach so leise, dass ich sie kaum hörte, » er war in letzter Zeit eine ziemliche Pest. Dauernd ruft er an, will vorbeikommen, Blumen vorbeibringen, Schokolade, der arme alte Knabe.

Weitere Kostenlose Bücher