Der Domino-Killer
Kürzlich irgendwelche guten Bücher gelesen? Was meinte er damit?
Jedes Mal, wenn er sich ein neues Opfer aussuchte, variierte er die Andeutung seiner Absichten ein wenig. Die Dominosteine wiesen immer auf etwas anderes hin. Mal waren die Zahlen Teil einer Adresse. Der Sozialversicherungsnummer. Das Alter des Opfers. Aber diese neuen sieben Zahlen hatte man gedreht und gewendet, um ihrer Bedeutung auf die Spur zu kommen – ohne irgendein Ergebnis. Da fiel mir plötzlich etwas ein.
Vielleicht waren die Dominosteine diesmal gar nicht der eigentliche Hinweis.
Sondern wie eine Schatzkarte, die den Weg dorthin wies .
Ich fragte mich, ob jemand von der SOKO vielleicht schon darauf gekommen war. Ich rief Mac an und erzählte ihm alles. Ich konnte den Verkehr rauschen hören, ein entferntes langes Hupen. Er klang genervt, wie immer wenn er gleichzeitig fahren und telefonieren musste.
«Wann?», fragte er.
«Eben gerade.»
«Okay, ich rufe Alan an, und wir treffen uns mit den anderen von der SOKO, um herauszufinden, von woher Price angerufen hat. So lange bleibst du, wo du bist, Karin.» Er legte ohne ein weiteres Wort auf.
So lange bleibst du, wo du bist . Ich fühlte mich etwas herumkommandiert. Und das sah ich nicht ein. Wieso sollte ich einfach in meiner Wohnung hocken bleiben? Während die armselige SOKO in ihrem schicken neuen Raum online nach Spuren suchte?
Tja, ich gehörte aber nicht zur SOKO. Ich war auch keine Polizistin mehr.
Und das hier war kein Spiel . Es war kein Fall . Mich betraf es persönlich. Persönlicher konnte es kaum werden. Es ging um meine Familie.
Ich war zu aufgeregt, um einfach still herumzusitzen – aufgeregt wie seit langer Zeit nicht mehr. Ich wollte das Rätsel unbedingt lösen. Loslegen. Etwas unternehmen.
Ich lief in meiner Wohnung hin und her, von Zimmer zu Zimmer, von der Küche durchs Schlafzimmer, ins Wohnzimmer und wieder zurück. Grübelte. Überlegte, wo ich am besten anfangen sollte.
Kürzlich irgendwelche guten Bücher gelesen?
Es gab Millionen von Büchern, alte und neue. Und Bücher gehörten zum Alltag so vieler Menschen.
Wo lasen die meisten Leute?
Buchläden.
Bibliotheken.
Schulen.
Cafés.
Schlafzimmer.
Am Strand.
Auf Parkbänken.
Konzentrier dich , befahl ich mir. Bleib beim Wesentlichen.
Buchläden und Bibliotheken: der logische erste Schritt.
Zunächst ging ich online auf die Seite der Library of Congress. Tippte in die Suchmaske des Katalogs die sieben Zahlen in den verschiedensten Kombinationen ein. Versuchte es mit Teilen der ganzen Zahlenreihe. Probierte es immer und immer wieder.
Keine Treffer.
Als Nächstes nahm ich mir das jährlich erscheinende Verzeichnis lieferbarer Bücher vor, in dem jedes Buch unabhängig vom Erscheinungsjahr mit seiner ISBN aufgelistet war. Ich ging wieder online und fand die Seite. Zitternd registrierte ich mich, um Zugang zur Suchfunktion zu erhalten. Wieder probierte ich verschiedene Kombinationen der sieben Zahlen. Dann wiederholte ich das Ganze für jedes einzelne der vergangenen fünf Jahre.
Nichts.
Der nächste Schritt war natürlich, es in den Onlinekatalogen von Bibliotheken zu versuchen. Ich war mir nicht sicher, wo ich anfangen sollte, entschied mich dann aber zunächst für den Hauptkatalog der New York Public Library – das war einer der größten Bibliothekskataloge der Welt. Ich tippte die sieben Nummern in verschiedenen Kombinationen ein und stellte schnell fest, dass ich damit Signaturen einzelner Bücher aufrief, allerdings von viel zu vielen, was bei einem so umfangreichen Bestand zu erwarten gewesen war. Zu viele Bücher. JPPs Hinweis war sicherlich spezifischer. Er war wahnsinnig, nachlässig allerdings nicht. Trotzdem, weil so viele Signaturen tatsächlich sieben Stellen hatten, vermutete ich, dass ich auf der richtigen Spur sein könnte.
Als Nächstes überprüfte ich den Katalog der Bibliothek von Maplewood. Nichts.
Also machte ich in Brooklyn weiter.
Im Bruchteil einer Sekunde nach Abschicken der Suchanfrage hatte ich den Jackpot geknackt.
Ich hatte die Schatzkarte richtig gelesen .
Jetzt wusste ich, wo ich hinmusste. Wonach ich suchte.
Einen kurzen Moment lang hielt ich inne. Sollte ich das nicht besser der SOKO mitteilen? Ja, natürlich. Aber ich konnte es einfach nicht mehr abwarten. Also rang ich mich zu einem Kompromiss durch: Ich würde Mac anrufen und mich dann auf den Weg machen.
Diesmal ging Mac nicht ran, daher hinterließ ich ihm eine Nachricht. Dann schleppte ich mein
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