Der Domino-Killer
ein richtiges Polizeirevier; hier fühlte ich mich wesentlich wohler als in Maplewoods sündhaft teurem Denkmal der guten Absicht. Hier konnte man die Atmosphäre angestrengter Ermittlungen förmlich knistern fühlen.
Ich gab Staples die Fotokopie. Er stand sofort auf und faxte sie nach Maplewood. Während er darauf wartete, dass das Blatt durchlief, klingelte mein Handy. Jon rief an.
«Mir ist gerade wieder eingefallen, wo Andrea heute ist. Sie hat mittags einen Termin bei ihrer Gynäkologin in Manhattan. Die Praxis ist im New Presbytarian Hospital. Ich habe gerade dort angerufen, aber die beiden sind noch nicht da.» Jon redete so schnell, dass seine Sätze ineinanderflossen. «Entweder sitzen sie noch im Auto oder im Zug. Ich weiß nicht, wie sie hinfahren.»
«Alles klar, Großer. Bleib stark. Ich bin gerade mit Mac bei Detective Staples in Brooklyn. Die werden sofort jemanden zum Krankenhaus schicken.»
«Ich komme mit dem nächsten Flugzeug nach Hause», sagte Jon mit tränenerstickter Stimme.
«Okay.» Ich schickte ihm einen Kuss durch den Hörer, und wir verabschiedeten uns.
Dann erzählte ich es Mac und Billy, als die beiden vom Fax zurückkamen.
«Wäre es nicht einfacher, zu einem Doktor in Jersey zu gehen?», brummte Billy, während er einen Notruf an alle Streifen in Manhattan anforderte.
«Sie wohnen noch nicht lange da draußen», erklärte ich. «Andrea hat Susanna in diesem Krankenhaus zur Welt gebracht und fühlt sich dort wohl.»
Billys Anfrage wurde beantwortet, und er erklärte, worum es ging, und gab alle relevanten Informationen weiter. Dann hängte er ein und stand auf. Er griff nach seiner Baseballkappe und stieß seinen Drehstuhl beiseite, der darauf laut gegen den Schreibtisch seines Kollegen krachte.
«Dein Auto oder meins?»
«Am besten beide», sagte Mac. «Falls ich plötzlich dringend zurück nach Jersey muss.»
Ich fuhr bei Mac mit, und wir rasten hinter Billys grauem Sedan her über den FDR-Highway. Es war mittags, daher gab es nicht viel Verkehr, und so erreichten wir schnell die Grenze zu Manhattan am East River, der in der Sonne glitzerte und sich zwischen New York und New Jersey entlangschlängelte. Bis zur Ausfahrt 63. Straße brauchten wir vierzehn Minuten, weitere drei Minuten stadteinwärts zur 68. Straße, wobei wir einige rote Ampeln überfuhren, bevor wir die Einfahrt zum New Presbytarian Hospital erreicht hatten.
Sieben oder acht Streifenwagen hatten es vor uns geschafft und parkten in wildem Durcheinander am Bürgersteig davor. Billy stellte das Auto am ersten freien Platz ab, und Mac tat es ihm gleich.
Wir liefen unter einer langen Markise durch, die vom Bürgersteig zur Drehtür führte.
Einer nach dem anderen gingen wir eilig hindurch und befanden uns mitten im Chaos.
Überall Polizisten.
Ärzte. Pflegepersonal. Verwaltungskräfte.
Patienten und Besucher hatte man an den Rand gedrängt, von wo aus einige neugierig herüberspähten.
Alle standen um etwas herum, das ich so nicht erkennen konnte.
Eine Frau schrie auf. Ich erkannte ihre Stimme.
Mac, Billy und ich bahnten uns einen Weg durch die Menge.
Drei Krankenschwestern knieten neben Andrea und versuchten sie zu beruhigen. Ihr Körper wirkte wie erstarrt. Sie hatte Susanna an sich gedrückt, die still wie eine Puppe in den Armen ihrer Mutter lag. Andreas Gesicht war flammend rot. An ihrem Hals zeichneten sich die Sehnen dick wie Stricke ab. Ihre Schreie hallten durch die große hohe Eingangshalle, prallten von den farbig gestrichenen Wänden ab. Vom Marmorfußboden. Von der Glaskuppel über unseren Köpfen. Die Akustik war wie in einer Oper, der Hall so stark, dass ich mir nicht hätte vorstellen können, dass meine zarte Schwägerin diese Laute hervorbrachte.
Ein Arzt beugte sich zu ihr herunter und gab ihr irgendeine Spritze. Wahrscheinlich ein Beruhigungsmittel.
«Sie haben Wehen», erklärte er mit betont ruhiger Stimme, versuchte ihr klarzumachen, dass sie sich hier in Sicherheit und guten Händen befand, was ihm aber nicht gelang. Ihr Junge sollte erst in sieben Wochen zur Welt kommen.
«Bitte, lassen Sie mich durch! Ich gehöre zur Familie!» Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, bis ich nah genug war, um mich neben Andrea zu knien. Ich legte ihr eine Hand auf die Wange und flüsterte «Schhh». Mit der anderen berührte ich Susannas Rücken.
Nur einen Atemzug. Mehr wollte ich gar nicht.
«Susie Q», flüsterte ich, «ich bin es, Tante Karin.»
Da atmete sie ein. Und wieder
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