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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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das Sinnbild der Gefahr, die ich über sie alle gebracht hatte. Angesichts ihrer Vorgeschichte von Depressionen kam mir nun jedoch der Gedanke, dass sie an etwas viel Größerem, schwer Fassbarem leiden könnte. Also ging ich nicht, sondern machte mich auf den Weg zum Schlafzimmer.
    Ich klopfte leise an; dass keine Antwort kam, wunderte mich nicht. Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter und öffnete langsam die Tür. Schatten krochen in den Flur. Ich trat über die Schwelle und schloss die Tür wieder hinter mir.
    Andrea lag im Bett, gegen die Kissen gestützt, ihr Neugeborenes im Arm. In der Dunkelheit des Zimmers konnte man die zerknitterte weiße Bettwäsche kaum von ihrer Haut unterscheiden, und die Farbe ihres einst blauen Nachthemdes wirkte wie ausgebleicht. Es war aufgeknöpft und gab eine große Brust frei, in der David sein Gesicht verbarg. Jedes Mal wenn ich ihn sah, schien es ihm jetzt besserzugehen. Seine Haut etwas weniger violett. Sein Körper etwas weniger mager. Nicht ganz so winzig. Er saugte an Andreas Brust, bewegte sich leicht in den Armen seiner Mutter und machte dabei die niedlichen Geräusche, die alle Babys machen, wenn sie trinken. Auf einem Stuhl in der Ecke saß ihre Kinderschwester Lisette, die jahrelange Erfahrung in der Frühgeborenenpflege vorweisen konnte. Sie war ungefähr 40, eine adrette Jamaikanerin, trug einen weißen Pflegeranzug und war offensichtlich geübt darin, sich nahezu unsichtbar zu machen. Sie tat so, als würde sie eine Zeitschrift durchblättern, obwohl es zum Lesen zu dunkel im Zimmer war.
    Ich trat ans Bett und küsste Andreas feuchte Wange. Sie bewegte sich nicht, bis auf die Augen, deren Blick mich kurz streifte und die dann wieder auf einen unbestimmten Punkt oberhalb der Bettdecke starrten.
    «Hi», sagte ich.
    «Es tut mir leid.»
    «Das muss es nicht.»
    Es kam mir nicht unbedingt so vor, als wäre sie böse auf mich oder als wollte sie, dass ich verschwinde. Sie schien derzeit überhaupt nicht in der Lage zu sein, irgendetwas zu wollen, als ob ihre Emotionen sie so gnadenlos im Griff hätten, dass Denken oder Handeln unmöglich waren. Die Depression saugte ihr alle Energie ab; man konnte dabei fast zusehen.
    Ich durchquerte den Raum, schob den schweren Vorhang zur Seite und schaute auf die glitzernden Schleifen des East River. Am Ufer des Flusses stand das Gebäude der UN, davor flatterten die Fahnen der Mitgliedsstaaten an den in Reih und Glied stehenden Masten. Es war eigentlich derselbe Ausblick wie der vom Wohnzimmer, aber von hier aus wirkte es fast wie eine andere Stadt.
    «Was hältst du davon, wenn ich hier einziehe?» Dieser Einfall war ein genialer Geistesblitz. «Ich könnte mich um Susanna kümmern … kochen, die Wäsche machen und den ganzen Kram.»
    «Du?» Sie musste ihre Skepsis nicht erst lange erklären. Bis zu Jacksons und Ceces Tod hatte meine Familie sich gern darüber lustig gemacht, dass ich keine besonders gute Hausfrau war. Aber weil ich meine Familie so sehr liebte und als Polizistin gesellschaftliche Verantwortung übernahm, fand es niemand schlimm, dass ich nicht sauber machte, bevor Besuch kam, oder ab und zu aus Spaß Kekse backte. Doch kaum war ich Witwe geworden, hörten die Neckereien auf – ein weiterer kleiner Tod. Daher war Andreas unverblümte Frage einfach erleichternd.
    «Jon könnte etwas Hilfe gebrauchen», sagte ich.
    «Lisette?» Papierrascheln; die Zeitschrift wurde zugeklappt. «Könntest du Karin und mich eine Minute allein lassen, bitte?»
    «Natürlich.» Für eine schmale Frau hatte Lisette eine tiefe Stimme, die noch dazu sehr warm klang. Sie stand auf und verließ das Schlafzimmer.
    «Ich ertrage das nicht mehr», zischte Andrea, sobald wir allein waren. «Hier eingesperrt zu sein, wer weiß, für wie lange. Darauf zu warten, dass er uns findet. Und gleichzeitig kämpft David ums Überleben. Was, wenn er es nicht schafft? Oder wenn er es schafft, aber Susanna nicht, weil –»
    «Schhh.» Ich setzte mich aufs Bett und griff nach ihrer freien Hand. Überlegte, ob ihre andere, die, mit der sie David hielt, kalt war.
    «Ich ertrage das nicht mehr», wiederholte sie. «Ich bin eine schlechte Mutter. Ich –»
    « Schhh .»
    Es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung, Andrea nicht daran zu erinnern, dass sie immerhin zwei lebendige Kinder hatte. Ja, Susannas Leben war bedroht; aber sie war lebendig und wohlauf . Ja, Davids Leben hing am seidenen Faden; aber er war lebendig und wohlauf . Sie hatte

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