Der Domino-Killer
nicht kam. Gedanklich klammerte ich mich daran, dass Mac wahrscheinlich recht behalten würde, sein gesunder Menschenverstand war ein Damm gegen die Flut meiner Entschlossenheit und meiner Ahnungen.
«Alles okay bei dir?», fragte Mac.
«Ich sterbe vor Hunger.» Mit meiner zweiten Scheibe Brot tunkte ich das Salatdressing auf. Es war köstlich. Ich war hungrig und hatte doch keinen Hunger. Allerdings wusste ich, dass ich besser in Form sein würde, wenn ich etwas aß.
Das tat ich also und ließ nichts aus: Käse-Spinat-Omelette, gebratener Spargel, noch mehr Brot. Ein Dessert wollte ich nicht und erklärte Mac, dass ich so vollgestopft sei, dass mein Magen sich anfühle, als würde er gleich platzen.
«Bin sofort wieder da», sagte ich, legte meine Stoffserviette auf den Stuhl, hing mir die Handtasche über die Schulter und ging zur Damentoilette. Mac ließ ich am Tisch zurück – entspannt, ein wenig müde, satt. Inmitten der Weinreben, die an der Hofmauer emporkletterten. Unter dem Aquarell einer französischen Landschaft. In Sonnenschein gebadet. Ich empfand auf einmal mehr und tiefere Gefühle für ihn, als ich das je zuvor getan hatte. Es war sein Anblick dort, bevor ich mich umdrehte und verschwand. Dieser stets um mich besorgte Freund und Mann, der mir immer mehr und mehr bedeutete. Unsere Kellnerin kam durch die Schwingtüren aus der Küche. Ich hielt sie an und flüsterte: «Bitte bringen Sie meinem Freund dort drüben ein Stück Kuchen mit einer Kerze darauf und singen Sie Happy Birthday für ihn.»
«Schoko-Haselnuss-Torte oder Strawberry Shortcake?»
«Shortcake.»
Sie lächelte verschwörerisch und ging weg.
Einen Moment lang sehnte ich mich an unseren Tisch zurück, während ich an der Damentoilette vorbei und durch die Küche schlich, dann durch die Hintertür nach draußen auf eine schattige Seitenstraße und um die Ecke zum Kostümgeschäft.
Eine halbe Stunde später stieg ich vor dem Eingang zum Javits Center aus dem Taxi. In der Hand hatte ich eine orangefarbene Plastiktüte von Halloween Adventures, in der sich alles für meine Verwandlung befand.
Ich überquerte den Vorplatz und betrat das riesige Gebäude durch eine der vielen Glastüren. Die Convention hatte offiziell am Vormittag begonnen, und die Besucher standen entlang der Absperrung in einer mehrfach gewundenen Warteschlange vor der Kasse. Die meisten trugen Straßenkleidung, aber einige waren kostümiert erschienen, was mich in der Hoffnung bestärkte, dass ich hier unerkannt in der Masse untergehen würde. Als ich an die Reihe kam, zahlte ich, erhielt ein Namensschild (das ich nicht benutzen würde) und ging dann direkt zur nächsten Toilette.
Als ich die Tür öffnete, stellte ich erleichtert fest, dass hier noch drei andere Frauen ihre Kostüme anlegten. Eine junge Frau mit kurzgeschnittenem rotgefärbtem Haar, die gerade ein Batman-Cape unterm Kinn festband, begrüßte mich mit den Worten: «Hier liegt das eine oder andere rum, was die ursprünglichen Besitzer nicht brauchen können. Sie dürfen sich ruhig etwas davon aussuchen – ist vor allem der Mädchenkram für weibliche Superhelden … manche von uns wollen heute nämlich keine Mädchen sein, sondern Jungs, damit wir uns auch mal ein paar Stunden wie Arschlöcher aufführen können.» Gelächter hallte durch den Raum.
«Danke, aber ich habe alles hier drin.» Ich hob meine orangefarbene Tüte.
«Was Sie nicht brauchen, können Sie einfach auf den Stuhl da werfen.»
Eine der Kabinentüren schwang auf, und eine Frau mit rotem Mantelkleid und Filzhut kam heraus. In der Hand hatte sie einen prallgefüllten Rucksack, der wohl ihre Alltagskleidung enthielt. Mit der anderen Hand setzte sie eine schwarze Sonnenbrille auf.
«Entschuldigung», sprach ich die Frau an – Carmen Sandiego , jedenfalls spielte sie diese Rolle für die nächsten paar Stunden. «Wissen Sie, wo wir unsere Sachen einschließen können?»
«Die Straße rauf kann man sich ein Schließfach mieten, oder Sie können auch einfach alles hierlassen, wenn Sie das Risiko eingehen wollen. Das mache ich jedenfalls.»
«Ich auch», sagte Batman.
Ich schlüpfte in die Kabine, zog mich aus, riss das Paket auf, legte mein Kostüm aus rotem und schwarzem Stoff an – und verwandelte mich in Spiderman. Die Version für Frauen zu kaufen, war mir gar nicht in den Sinn gekommen, falls es denn überhaupt eine gab. Der Stretchstoff klebte eng an mir. Ich fühlte mich elektrisiert. Mit der Maske und den Handschuhen
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