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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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war mein ganzer Körper von Kopf bis Fuß verhüllt. Ich steckte meine Handtasche in die Tüte, stopfte meine normale Kleidung darüber, verließ die Kabine, damit die Nächste hineinkonnte, und legte die Tüte dann auf einen ganzen Haufen von Taschen, der sich in einer Ecke der Toilette auftürmte, gleich neben dem Stuhl mit den Kostüm-Überbleibseln.
    Dann ging ich hinaus, um das Convention Center zu durchstreifen.
    Ich machte mich direkt auf zum Herzstück der Veranstaltung. Mitten hinein in den vollsten, lautesten und geschäftigsten Teil der Ausstellung im Zentrum des Hauptraums. Überall, wo ich hinkam, traf ich Zwillinge von mir; es musste auf der Convention mindestens zwanzig Spidermans geben, einmal abgesehen von den Supermans, Batmans, Catwomans, Grünen Kobolden, Hulks, Yodas und Prinzessin Leias. Lauter Maskierte, die meinem Entschluss, hier aufzutauchen, recht zu geben schienen.
    Von der Decke des riesigen Hauptraums hingen große Banner, die den Besucher darüber informierten, was er wo vorfinden würde: Hollywood Highlights, Anime, handsignierte Comics, Podcasts, Table Top Gaming, Graphic Novels, Merchandise und etwas, das sich Variant Stages nannte.
    In echter Spiderman-Manier bewegte ich mich an Ständen vorbei, auf denen sich Comics stapelten, Ableger bekannter Serien und das zugehörige Merchandising. Immer mehr Besucher erschienen auf der Convention. Es war schwer vorstellbar, dass jemand, der sich für Spiele, Figuren und Comics interessierte, nicht hier auftauchen würde. Reines Wunschdenken, vielleicht. Aber nachdem ich es geschafft hatte, der Wohnung zu entfliehen, meine Fesseln abzustreifen und mich ungehindert in der realen Welt zu bewegen – gut, vielleicht nicht in der realen Welt, aber immerhin in dieser Welt –, hätte ich mich nicht damit abfinden können, dass er jetzt nicht hier war. Deshalb überprüfte ich durch die Schlitze in meiner Maske jedes Gesicht. Absolut jedes Gesicht. Glaubte, ihn zu erkennen. Kniff die Augen zusammen, stellte meinen Irrtum fest. Glaubte wieder, ihn zu erkennen. Und wieder nicht.
    Ich verließ den Comic-Bereich und ging zu den Spielen. Hier waren die großen Renner Chaotic – ein Kartenspiel, von dem ich noch nie gehört hatte –, Magic und Dungeons of Dread . Die ersten Turniere begannen gerade. Sie sollten noch während der nächsten drei Tage weitergehen. Während ich durch die Spieleabteilung streifte, vermischte sich das Tschack-Tschack-Tschack der Karten mit dem Lärm von Unterhaltungen, Lachen und Verkaufsangeboten … und dann mit dem Klack-Klack-Klack umfallender Dominosteine.
    Ich folgte dem Geräusch in ein weißes Zelt, in dem fünf Männer in orangefarbenen Blumen-T-Shirts saßen und auf Herausforderer warteten. Zwei von ihnen hatten schon Spielpartner: einen älteren Latino in Anzug und Krawatte und einen Jungen, dessen Mutter in der Nähe wartete … wie sie auf ihr Kind aufpasste, gab mir einen Stich. Ich sehnte mich nach Cece; jeden Moment, den wir zusammen gewesen waren, hatte ich sie mit Argusaugen bewacht. Ich musterte die Gesichter aller Anwesenden; aber keines gehörte Martin Price.
    Enttäuschung stieg in mir auf, Niedergeschlagenheit und dann Scham. Wie hatte ich nur denken können, dass es so leicht werden würde … dass JPP mir persönlich eine Einladung überbracht hatte, das Datum extra unterstrichen und mit Angabe des Ortes, an dem wir ihn finden würden. Schon jetzt konnte ich Macs scharfen Ton bei der Belehrung hören, die mich heute bestimmt noch erwartete, und auch seine Kränkung darüber, dass ich ihn an seinem Geburtstag sitzengelassen hatte.
    «Nehmen Sie doch Platz», forderte mich einer der bezahlten Spieler auf.
    Ich schüttelte den Kopf und verließ das Zelt.
    Schlenderte durch die Anime-Abteilung, wo sich alles um japanische Meta-Trickfilme drehte. Dann zu den Signiertischen, wo reihenweise Stars und aufsteigende Sternchen der Comic-, Spiele- und Spielzeugindustrie auf ihre hingebungsvollen Fans warteten. Anschließend zu den Podcasts, wo Moderatoren-Teams jeden um seine Meinung fragten, der bereit war, sie abzugeben, und alles sofort ins Netz stellten. So spazierte ich herum und kam mir auf einmal ausgesprochen dämlich vor, weil ich Mac dafür im Stich gelassen hatte.
    Schließlich fand ich mich bei den Variant Stages wieder, einem Bereich ganz hinten in der Ausstellungshalle, der Auftritten von Schauspielern und Comedians vorbehalten war. Im Augenblick wurden gerade vier kleine Stücke aufgeführt.

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