Der Dominoeffekt
Bekanntschaft zu machen.«
Vollmert zuckte nicht mit der Wimper. Eigentlich gehörte es nicht zu seinen Gepflogenheiten, direkten Kontakt zu den Liebhabern seiner weiblichen Zielobjekte aufzunehmen.
Van der Felde hatte inzwischen einen seiner Bälle zum Abschlag bereitgelegt und einen Schläger ausgesucht. Plötzlich wirkte der lächerlich gekleidete Mann höchst konzentriert. Die Muskeln an seinen Armen spannten sich gewaltig, er ließ mit einer fließenden Bewegung den Schläger durch die Luft sausen und katapultierte das runde Spielgerät wuchtig in die Ferne.
»Langsam lernst du es ja doch noch«, frotzelte Höfner.
Van der Felde reagierte nicht, sondern sah seinem Ball hinterher. Erst als die Kugel einige Male auf dem gepflegten Grün aufgesprungen war, wandte er den Kopf. »Du weißt genauso gut wie ich, dass der Schlag spektakulär war.« Seine Stimme klang wie ein mit Schmirgelpapier massierter Eiszapfen. »Dabei habe ich mich noch nicht einmal eingeschlagen.«
»Dieser gut gelaunte Zeitgenosse ist Hergen van der Felde«, lachte Höfner. »Und hier haben wir ein potenzielles Neumitglied, Vollmert war, glaube ich, der Name, richtig? Wenn Sie eifrig trainieren, können Sie vielleicht in acht oder neun Jahren eine Partie gegen ihn spielen.«
Der Detektiv bekam unwillkürlich kalte Hände. Van der Felde sah ihm direkt ins Gesicht und lächelte gewinnend, allerdings nur mit den Gesichtspartien unterhalb der Nase. Seine Augen blieben kalt und unbewegt, während sie ihn neugierig musterten. In seinem früheren Berufsleben hatte Vollmert hart gesottene Verbrecher getroffen, die angesichts eines solchen Pokerfaces schreiend das Weite gesucht hätten.
»Wen hast du denn da mitgebracht?«
»Wie ich schon sagte, jemand, der vielleicht unserem Club beitreten möchte.«
»Günter Vollmert«, gab der Detektiv wahrheitsgemäß zu und hielt van der Felde die Hand hin. Bei dem Händedruck ging er beinahe in die Knie, sein Gegenüber hatte Bärenkräfte.
»Sieh an, sieh an«, meinte der Adlige. »Neu in Geldern?«
»Ich bin auf der Suche nach einer angemessenen Unterkunft«, log Vollmert seelenruhig. »Meine Frau ist noch in München bei den Kindern und kümmert sich um den Verkauf unseres Hauses.«
»Wie lange spielen Sie schon?«, fragte van der Felde.
»Was?«
»Golf natürlich«, erklärte der Dandy abfällig.
»Bisher überhaupt noch nicht. Meine Frau spielt ein wenig, mir hat bis jetzt die Zeit gefehlt. Der Beruf, Sie verstehen schon.«
»In welcher Branche sind Sie denn?«, fragte Höfner und zog seinerseits einen Schläger aus dem Wagen.
»Ich bin Architekt«, sponn Vollmert seine Story weiter und heuchelte Interesse dafür, wie Höfner den Bewegungsablauf beim Abschlag zu erklären versuchte. Dabei hatte er unablässig das Gefühl, dass van der Feldes Blick Löcher in seinen Rücken bohrte.
27
Ein schönerer Ausblick war kaum vorstellbar.
Von ihrem Tisch aus konnten Marohn und Sax einen Großteil der Hamburger Hafenanlagen betrachten. Die Terrassen der Restaurants, Cafés und Imbissbuden an den Landungsbrücken waren gut gefüllt, die beiden Männer hatten Glück, einen Tisch in der ersten Reihe bekommen zu haben. Keine zehn Meter von ihnen entfernt sammelten sich die Hafenrundfahrtsschiffe, teilweise schickten die Eigner ziemlich abenteuerliche Gefährte ins Wasser. Am imposantesten war sicherlich der Schaufelraddampfer, dessen gewaltige Antriebswelle sich allmählich warm lief. Aber auch die anderen Boote waren ein wahrer Augenschmaus. Trotz der gewaltigen Konkurrenz konnte keines der Schiffe über mangelnde Kundschaft klagen.
Im Hafenbecken herrschte reger Verkehr, die dschungelfarbenen Zubringerboote zur Musicalhalle, in der Der König der Löwen gespielt wurde, durchpflügten das Wasser ohne Pause. Das bunte und geschäftige Bild des Eventtourismus kontrastierte mit dem der Krananlagen der verschiedenen Werften in geradezu romantischer Art und Weise – wenn man mal außer Acht ließ, dass die meisten der damit verbundenen Arbeitsplätze absolute Knochenarbeit bedeuteten.
Trotz dieses idyllischen Anblicks, der jedes Jahr Hunderttausende Touristen in die Hansestadt lockte, drang das bunte Treiben nur bis an die Netzhaut der beiden Männer. Ihre Stimmung lag weit jenseits von dem, was man mit gutem Willen noch als übel bezeichnen konnte.
»Wenn das so weitergeht, sind wir bald völlig am Arsch«, brachte Marohn die Situation auf den Punkt. »Jahrelang ging alles gut und jetzt
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