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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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heiraten!«
    Madame Graslin hob Gérard auf, nahm seinen Kopf, küßte ihn auf die Stirn; und als Véronique ihn erstaunt sah über diesen Dank, streichelte sie ihm die Hand und sagte zu ihm:
    »Des Rätsels Lösung werden Sie bald erfahren. Versuchen wir die Terrasse zu erreichen, wo wir unsere Freunde wiederfinden werden, Es ist recht spät, ich bin sehr schwach, will aber nichtsdestoweniger meiner teuren Ebene von weitem Lebewohl sagen.«
    Obwohl der Tag unerträglich heiß gewesen war, hatten die Stürme, die während dieses Jahres einen Teil Europas und Frankreichs verheerten, Limousin aber verschonten, im Loirebecken gewütet, und die Luft begann frischer zu werden. Der Himmel war so klar, daß das Auge die kleinsten Einzelheiten am Horizonte erfaßte. Welch ein Wort kann den köstlichen Einklang ausmalen, den die gedämpften Geräusche des Fleckens, der durch die Arbeiter auf ihrer Heimkehr von den Feldern belebt wird, hervorbringen? Um gut wiedergegeben zu werden, erfordert diese Szene zugleich einen großen Landschafter wie einen Figurenmaler. Besteht nicht tatsächlich in der Müdigkeit der Natur und in der des Menschen ein merkwürdiges und schwer wiederzugebendes Einverständnis? Die erschlaffende Wärme eines Hundstags und die Verdünnung der Luft geben dann dem durch die Lebewesen verursachten Geräusch seine volle Bedeutung. Die vor der Türe sitzenden Frauen erwarten ihre Männer, welche oft die Kinder mit heimbringen, plaudern miteinander und arbeiten noch. Die Dächer lassen Rauchwolken entweichen, die auf die letzte Tagesmahlzeit hinweisen, die froheste für die Landleute; und hernach werden sie schlafen. Die Bewegung drückt dann die glücklichen und ruhigen Gedanken derer aus, die ihr Tagwerk beendigt haben. Gesänge hört man, deren Charakter sicherlich sehr verschieden ist von denen des Morgens. Darin ahmen die Dörfler die Vögel nach, deren abendliches Gezwitscher in nichts dem morgendlichen Jubel gleicht. Die ganze Natur singt einen Hymnus der Ruhe, wie sie bei Sonnenaufgang einen Hymnus des Jubels singt. Die geringsten Handlungen beseelter Wesen scheinen sich dann in die sanften und harmonischen Farben zu kleiden, die der Sonnenuntergang über die Felder streut, und die dem Sand der Wege einen stillen Charakter verleihen. Wenn irgend jemand den Einfluß dieser Stunde, der schönsten des Tages, zu verneinen wagte, würden ihn die Blumen Lügen strafen, indem sie ihn mit ihren durchdringendsten Wohlgerüchen berauschten, die sie dann ausströmen und mit den zärtlichsten Insektentönen, dem verliebten Vogelflüstern vermischen.
    Die Schleppen, welche die Ebene jenseits des Fleckens furchen, hatten sich mit zarten und leichten Nebeln verschleiert. In den großen Wiesen, die die Bezirkshauptstraße teilt, welche nun von Pappeln, Ahornen und japanischen Firnisbäumen beschattet wurde, die in gleichen Abständen vermischt standen und alle so gut gekommen waren, daß sie bereits Schatten spendeten, erblickte man die großen und berühmten Großviehherden, die Tiere einzeln und in Gruppen, die einen wiederkäuend, die anderen noch weidend. Die Männer, Frauen und Kinder vollendeten die hübscheste der Landarbeiten, die des Heumachens. Die durch die plötzliche Frische, durch die Stürme belebte Abendluft trug die nahrhaften Düfte geschnittener Kräuter und aufgeschichteter Heuhaufen herbei. Die geringsten Ereignisse dieses schönen Panoramas sah man vollkommen: sowohl die, welche den Sturm fürchtend, in aller Hast Fuder aufluden, um welche die Heuerinnen mit beladenen Heugabeln herumliefen, wie die, welche die Karren inmitten der Heubinder füllten, wie die Leute, die in der Ferne noch mähten, wie die, welche die langen, wie Schraffierungen über die Wiese hin verteilten Reihen geschnittenen Grases umwendeten, und die, welche sich beeilten, sie zu häufeln. Man hörte das Gelächter derer, die sich freuten, vermischt mit den Schreien der Kinder, die sich in die Heuhaufen stießen. Man unterschied rosa oder rote oder blaue Röcke, die Halstücher, die nackten Beine, die Frauenarme, alle geschmückt mit jenen breitrandigen Hüten aus gewöhnlichem Stroh, und die Hemden der Männer, die fast alle in weißen Hosen waren. Die letzten Sonnenstrahlen stäubten durch die langen Pappelreihen, die längs der Wasserrinnen gepflanzt waren, welche die Ebene in ungleiche Wiesenflächen teilten, und liebkosten die aus Pferden, Karren, Männern, Frauen, Kindern und Tieren zusammengesetzten Gruppen. Die

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