Der Dorfpfarrer (German Edition)
Personen im Sande hervorriefen, wurden durch das Wasser hergetragen, das in der Stille Töne ebenso treu überliefert, wie es in der Ruhe Gegenstände zurückwirft. An ihrer köstlichen Sanftheit erkannte Véronique des Pfarrers Organ, das Knistern der Soutane und das Rauschen eines Seidenstoffs, der ein Frauenkleid sein mußte.
»Gehen wir hinein!« sagte sie zu ihrer Mutter.
Die Sauviat und Véronique setzten sich auf eine Krippe in dem niedrigen Raum, der ein Stall werden sollte.
»Mein Kind,« sagte der Pfarrer, »ich tadle Sie nicht, Sie sind entschuldbar; aber Sie können die Ursache eines nicht wiedergutzumachenden Unglücks sein, denn sie ist die Seele dieses Landes.«
»Oh, mein Herr, noch heute abend werde ich fortgehen,« sagte die Fremde; »doch ich kann Ihnen sagen, mein Vaterland noch einmal zu verlassen, hieße sterben für mich. Wenn ich noch einen Tag länger in diesem schrecklichen Neuyork und in den Vereinigten Staaten geblieben wäre, wo es weder Hoffnung, noch Glauben, noch Treue gibt, würde ich gestorben sein, ohne krank gewesen zu sein. Die Luft, die ich atmete, tat mir weh in der Brust, die Nahrungsmittel nährten mich dort nicht mehr, indem ich scheinbar voll Leben und Gesundheit war, starb ich. Meine Leiden haben aufgehört, sobald ich den Fuß aufs Schiff setzte: ich wähnte in Frankreich zu sein. 0, mein Herr, meine Mutter und eine meiner Schwägerinnen hab' ich vor Gram sterben sehen. Kurz, mein Großvater Tascheron und meine Großmutter sind tot, tot, mein lieber Monsieur Bonnet, trotz des unerhörten Gedeihens von Tascheronville ... Ja, mein Vater hat ein Dorf im Staate Ohio gegründet, dies Dorf ist fast eine Stadt geworden; und ein Drittel der Ländereien, die dazugehören, sind kultiviert worden von unserer Familie, die Gott ständig beschirmt hat. Unsere Kulturen gedeihen, unsere Erzeugnisse sind prachtvoll und wir sind reich! Auch haben wir eine katholische Kirche bauen können; die Stadt ist katholisch, wir dulden dort keinen anderen Kult und hoffen durch unser Beispiel die tausend Sekten, die um uns herum sind, zu bekehren. Die wahre Religion ist in Minderzahl in diesem traurigen Geld- und Interessenlande, wo die Seele friert. Nichtsdestoweniger will ich dorthin zurückkehren und lieber sterben als der Mutter unseres lieben Francis das geringste Unrecht zufügen und die leichteste Not bereiten. Führen Sie mich nur noch ins Pfarrhaus heute nacht, Monsieur Bonnet, daß ich an ›seinem‹ Grabe beten kann, das mich einzig und allein nach hier gezogen hat, denn in dem Maße wie ich mich dem Orte näherte, wo ›er‹ ist, fühlte ich mich ganz anders. Nein, ich glaubte nicht hier so glücklich zu sein ...«
»Nun gut,« sagte der Pfarrer, »kommen Sie, gehen wir. Wenn Sie eines Tages ohne Nachteil zurückkommen können, werde ich Ihnen schreiben, Denise; vielleicht aber wird dieser Besuch in Ihrer Heimat Ihnen erlauben, da drüben zu wohnen, ohne zu leiden ...«
»Dies Land verlassen, das jetzt so schön ist? Sehen Sie doch, was Madame Graslin aus dem Gabou gemacht hat!« sagte sie, auf den mondbeglänzten See hinweisend. »Kurz, alle diese Ländereien werden unserem teuren Francis gehören ...«
»Sie sollen nicht abreisen, Denise,« sagte Madame Graslin, die sich in der Stalltür zeigte.
Jean-François Tascherons Schwester schlug die Hände zusammen beim Anblick des Gespenstes, das mit ihr sprach. In diesem Moment sah die mondbestrahlte, bleiche Véronique wie ein Schatten aus, der sich von den Finsternissen der geöffneten Stalltür abhob. Ihre Augen funkelten wie zwei Sterne.
»Nein, mein Kind, Sie werden das Land, das wiederzusehen Sie aus solcher Ferne hergekommen sind, nicht verlassen. Sie sollen hier glücklich sein, oder Gott würde sich weigern, meinen Werken beizustehen; sonder Zweifel schickte er Sie her!«
Sie faßte die erstaunte Denise bei der Hand und führte sie auf einem Pfade nach der anderen Seeseite. Ihre Mutter und den Pfarrer ließ sie zurück; sie setzten sich auf die Bank.
»Lassen wir sie tun, was sie will,« sagte die Sauviat.
Einige Minuten später kam Véronique allein wieder und wurde von ihrer Mutter und dem Pfarrer ins Schloß zurückgeführt. Zweifelsohne hatte sie irgendeinen Plan gefaßt, der geheim bleiben sollte, denn niemand im Lande sah weder Denise noch hörte er von ihr sprechen. Nachdem Madame Graslin ihr Bett wieder aufgesucht hatte, verließ sie es nicht mehr; es ging ihr tagtäglich schlechter, und sie schien gehindert zu
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