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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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erfrischend ihre Polemik! Jeden ihrer Sätze hätte ich unterschreiben können. Genauso war es doch! Der Teufel – ein hintersinnig installiertes Hirngespinst! Wahrhaft teuflisch am Teufel waren nur seine Erfinder …
    Der Zufall zeigte sich an diesem Abend von seiner ironischen Seite, denn als Nächstes lief ich ausgerechnet Severin, dem Pfarrer im Kardinalskostüm, über den Weg. Er lehnte am Poolhaus und rieb sich genüsslich den Rücken seiner Nase. Den Geistlichen hätte man ihm übrigens auch ohne seine Robe jederzeit abgenommen, so seriös und intelligent wirkte er: gefasst nachdenklich sein Blick im etwas hageren Gesicht, darin ein beherrschter Mund; sein dunkelbraunes Haar, ebenso kurz wie dicht, wie eine Filzkappe um den Schädel gelegt. Er hatte eine angenehm getönte Gesichtsfarbe, nur an den Stirnecken nicht. Dort wurde sein Haarpelz von zwei blassen Hautzungen zurückgedrängt – so wirkte es jedenfalls. Möglicherweise eine Pigmentstörung. Ich stellte mir den Herrn Pfarrer als einen eifrigen Grübler vor, der den Dingen auf den Grund geht.
    Von Mama Rosa wusste ich schon, dass er hoffte, als Professor an die theologische Fakultät berufen zu werden. Und Carla hatte gesagt: »Eigentlich großartig, wie er den Kontakt zu Außenseitern findet, zu Drogensüchtigen etwa, und ihnen beisteht. Ab und zu geht er sogar, was keiner sonst tut, mit dem so schlimm verunstalteten Tutsijungen ins Hallenbad, weil der das Schwimmen über alles liebt.«
    Severin, der mir entgegensah, hielt mich mit einem eher problematischen Kompliment an: »Sie haben’s echt drauf! Wie Sie tanzen! Gewöhnliche Sterbliche wie ich können sich mühen, wie sie wollen, so kriegen wir das nie hin.«
    »Dass ich mich nicht blamiert habe, lag ausschließlich an Ihrer Mutter, sie ist ja eine begnadete Tänzerin!«
    »Auf mich ist ihr Talent leider nicht übergegangen. Ich tanze für mein Leben ungern, sehr zum Leidwesen meiner Partnerin übrigens«, sagte er.
    »Dafür sind Sie, wie ich höre, ein großartiger Segler.«
    »Da antworte ich ähnlich wie Sie: Das liegt an meinem Boot. Aber ich bin leidenschaftlich gern auf dem Wasser, das stimmt schon.«
    Passend zu diesem beschwingten Beginn schüttelten wir uns fröhlich die Hand.
    »Severin. Schlechter Tänzer.«
    »Henry. Segeln mangelhaft.« Und wir lachten. Dass wir übergangslos ins Duzen geraten waren, machte uns beide verlegen. Jedenfalls blieben wir eine Weile stumm und schauten umher. Am Poolrand stehend, goss Aldo Bellini einem badenden Gast gerade Champagner über den Kopf. Der Mann seinerseits versuchte, Bellini ins Wasser zu ziehen, und schrie: »Hier wird getauft, hier wird getauft.«
    Severin und ich wandten uns wieder einander zu, grinsten und ich sagte: »Das wäre eigentlich dein Job, Severin.« Und schon hatten wir unser Thema: er als Pfarrer. Das sei ein schwieriger Beruf geworden, seufzte er. Die Erwartungen seien widersprüchlich und eigentlich gar nicht zu erfüllen. Verlangt sei ein mixtum compositum aus Lazarus, Pestalozzi, Eventmanager für Trauungen und (er lachte) heiligem Martin. »Will natürlich heißen: heiliger Severin. Heiliger ist als Job ja nicht zu verachten, nur muss man halt etwas Talent dafür mitbringen«, brummte er.
    »Und? Hast du eine Begabung zum Heiligen?«
    Er blickte mich ganz entgeistert an, als käme ihm meine Frage einfältig oder auch dreist vor. Aber je länger er mich mit seinen grau melierten Augen anstarrte, desto klarer wurde mir, dass er meine Frage sehr ernst nahm. Schließlich erwiderte er:
    »Kann ich mit deiner Diskretion rechnen, Henry?« Kaum hatte ich genickt, setzte er hinzu: »Nein, ich habe kein Talent dafür. Zufrieden?« Ich hob die Hände … Und während ich noch diesem grauen Blick nachsann, hatte Severin mich schon in ein Streitgespräch über Himmel und Hölle verwickelt. Natürlich führte er den theologischen Degen feiner als ich. Aber ganz unbedarft focht auch ich nicht. In meinen drei Vorbereitungsjahren hatte ich mir einen harten Leseparcours auferlegt: Talmud, Koran und Bibel, Schriften und Enzykliken von Augustinus bis zum zweiten Johannes Paul. Ich parierte Severins Argumente also, so gut ich konnte. Aber die erste Runde über Gottes Allmacht ging eindeutig an ihn. Weil er uns Wein holte, war mir eine kurze Atempause vergönnt. Dann ging es in die nächste Runde. Gnade und unbefleckte Geburt endeten unentschieden. Bei Hiob und Satan verspekulierte er sich – aber ich spürte, dass er lustvoll und

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