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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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Freundschaft angefangen, damals in jenen Nächten im Internat. Sie sprachen nie darüber. Auch das war so eine stillschweigende Übereinkunft.
    »Henry ist schon ein erstaunlicher Typ!«, nahm Aldo den Gesprächsfaden wieder auf. »Ich mag ihn sehr, aber glaub mir: Ich hätte auch genügend Anlass, neidisch auf ihn zu sein. Die Begeisterung, die er bei meinen Kindern auslöst, ginge ja noch … Aber du kannst dir gar nicht vorstellen, wie Carla von ihm beeindruckt ist. So was hab ich noch nie erlebt. Manchmal frag ich mich schon, warum ich eigentlich nicht eifersüchtig bin.« Aldo blinzelte freundlich, aber auch etwas angestrengt in sein Cognacglas.
    »Jetzt hast du es ausgesprochen«, bemerkte Severin.
    »Er ist halt von Grund auf anständig. Aber was ich ihm am höchsten anrechne: dass er für mich in die Löwengrube steigen und mit meinen Finanzvögten sprechen will.«
    »Und du glaubst im Ernst, dass er etwas bewirkt?«
    »Ich kann es nur hoffen«, seufzte Aldo. Er lockerte seinen Schal und starrte Severin mit leerem Blick an. Nahm einen Schluck und leckte sich die Lippen. Griff sich die Flasche und schenkte nach, obwohl sein Glas noch nicht leer war. »Er scheint bei denen ein paar Steine im Brett zu haben. Was die wert sind? Ich weiß es nicht. Vielleicht, dass ich etwas Zeit gewinne. Eigentlich glaube ich gar nichts. Ich fühle mich wie gelähmt. War es auch schon auf diesem verdammten Gartenfest. Nur einer hat es bemerkt und mich darauf angesprochen …«
    »Ich frage dich jetzt nicht, wer das war.«
    »Ach, Severin! An unserer Freundschaft wird sich nie etwas ändern.«
    Endlich konnte Aldo von seinen Ängsten sprechen und er tat es mit genüsslicher Ausführlichkeit. Seine größte Angst war, dass Carla von dem ganzen Schlamassel Wind bekommen könnte. Bestimmt gingen längst Gerüchte um. Über kurz oder lang würde man anfangen, seiner Frau mitleidige Fragen zu stellen. Aldo ahmte näselnd einen Besorgten nach: »Meine liebe Carla, was die Leute manchmal für Lügen … kein Wort habe ich … kannst du dir erklären, woher diese … – Natürlich alles reine Heuchelei.«
    Von solchen Vorstellungen wurde er jede Nacht gequält, wie er Severin anvertraute. Er musste nur einmal kurz einschlafen und schon sah er sich mit schwingender Keule durch die Stadt rasen und voller Wut auf ein Heer plappernder Holzköpfe einschlagen. Oder er irrte durchs Clubhaus, das in seinem Wahn nur aus Fluchten aneinandergereihter Türen bestand. Aus allen Räumen drangen hämische Stimmen, die Bellinis Desaster durchhechelten. Einmal war sogar Salvatores dröhnendes Lachen zu hören gewesen. Er hatte die Türe aufgerissen – und dahinter seine Kinder vorgefunden, die ihn mit kalten Augen anstarrten.
    Richtigen Schlaf fand er nur noch in den Morgenstunden, zwei oder drei Stunden vielleicht. Wachte er auf, dann oft mit dem Gefühl, im Traum eine geniale Strategie gefunden zu haben, wie seine Firma zu retten wäre. Aber er konnte sein Gehirn martern, wie er wollte: Die Lösung war weg. »Zu wissen, dass die Lösung auf dem Präsentierteller an mir vorbeigetragen wurde, ich aber nicht aufgepasst habe, macht mich wahnsinnig.«
    Severin hörte Aldo mit widerstreitenden Gefühlen zu. Die Pein des Freundes berührte ihn, gewiss. Aber zugleich regte sich in ihm auch eine winzig kleine Schadenfreude. Er wusste sogar, warum: Bereits zur Internatszeit hatte er seinen Freund beneidet. Aldo, der Sohn des großen Salvatore, konnte ihrer Clique lässige Poolpartys im Park bieten. Er, Severin, kam aus bescheidenen Verhältnissen. Seine Eltern waren zwar nicht arm, aber im Vergleich zu den Bellinis … Dass er in den Schulleistungen zu den Besten gehörte, wog seinen minderen Status nicht auf, denn Aldo spielte besser Fußball und schlug ihn im Tennis nie unter sechs zu drei. Und obendrein stach Aldo ihn auch bei ihren amourösen Pirschgängen aus.
    Unbestreitbar: Das Leben hatte seinem Freund das bessere Kartenspiel in die Hand gedrückt. Im Vergleich zu Salvatore war sein eigener Vater bedrückend durchschnittlich und fad gewesen. Ein Mann, der irgendwie nicht präsent war, auch wörtlich nicht, denn er war stets für H & L auf Besuchsreise bei Ärzten und in Spitälern. Sanft, schweigsam und müde war er Severin begegnet, der sich in der Pubertät zu wundern begann, warum seine spontane, lebensfreudige Mutter, warum eine Frau wie Rosa so einen zum Mann hatte. Er jedenfalls hätte seinen Vater sofort getauscht.
    Seine Mutter musste seinen

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