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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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nicht?
    Aldo wandte sich vom Fenster ab und sah Severin ernst an. Er schien jetzt vollkommen nüchtern. »Ich habe dir das nie erzählt. Schon immer habe ich vermutet, nein, eigentlich gewusst, dass mein Vater … verflucht! Eben hatte ich mir alles so schön zurechtgelegt und jetzt bringe ich es doch nicht zusammen. Ich bin auf Zahlungen gestoßen. Salvatore hat bezahlt, und zwar für uns beide. Schweigegeld. Ha!«, sagte er bitter. »Schweinegeld! Man muss uns verdächtigt haben. Beim Kiosk gab’s einen Zeugen, im Laden Spuren und so fort. Wir mussten weg aus Pully. Das war organisiert. Es ging gar nicht um unsere Schummelei mit der Prüfung. Es gibt da zwei Briefe. Vielsagende Briefe. Von meinem Alten. Und Zahlungen an Zeugen.« Aldo spulte seine Satzfragmente ab wie einstudiert, reihte eine Wahrheit an die andere. Und schien noch lange nicht am Ende.
    Severin fühlte sich vorgeführt. Beschämt. Aldo war ihm wieder einmal über. Er brachte fertig, wozu er selbst zu feige gewesen war. Der Freund machte reinen Tisch, er räumte auf und befreite sich von seinen Qualen. Er hatte Vertrauen in ihre Freundschaft. War offen und ehrlich zu ihm.
    »Ich glaube dir kein Wort«, schrie er, um Aldos Redefluss zu stoppen. »Kein Wort glaube ich dir.«
    Der schaute ihn entgeistert an. Der Schweiß war ihm auf die Stirn getreten, doch er redete wie im Fieber weiter: »Du kannst mir ruhig glauben. Du musst mir sogar glauben. Auch wenn’s wehtut. Mein Alter hat alles geschafft. Aber nicht auch das noch. Das gelingt ihm nicht. Unsere Freundschaft macht der nicht kaputt. Der schiebt keine Geheimnisse zwischen uns, schon gar nicht aus dem Grab heraus. Unsere Freundschaft bedeutet mir verflucht viel, Severin! Mein Alter hat hinter unserem Rücken an den Strippen gezogen. Typisch für ihn. Und nicht etwa aus Liebe, Gott bewahre, nein. Einfach nur, weil er um jeden Preis einen Skandal vermeiden wollte. Den konnte er sich nämlich nicht leisten. Er hat in seinen Ruf investiert, mehr nicht. Ich hätte kotzen mögen, als ich ihm auf die Schliche kam. Das ist jetzt schon Monate her. Ach, warum hab ich dir das alles nicht gleich erzählt. Jedenfalls liegt es mir seither im Magen. Ich könnte sogar jetzt noch kotzen. Der Alte spielt den weißen Ritter für uns! Dieser Verbrecher! Eine gewisse moralische Labilität meines Sohnes …! Mit so nem Gelaber ist er unserem Direx gekommen. Dabei hatte er selbst die moralische Stabilität einer Heuschrecke. Dieser Gangster, und das sage ich nicht einfach so! Dieser Gangster gefiel sich in der Rolle des besorgten Vaters …« Aldo redete sich in Rage. Und Severin staunte, wie sich die Gesichtszüge seines Freundes dabei strafften. Seine Gebärden waren beschwingt und frei wie einst. Berührend war das. So verbunden hatte er sich ihm schon lange nicht mehr gefühlt. So war Aldo im Internat gewesen: unbesonnen, enthusiastisch und sprühend vor Einfällen. Wie sehr er diesen Aldo mochte, der eben rief: »Eigentlich wäre ich lieber untergegangen, als mich …« Aldo stutzte und beendete den Satz: »… als mich von so einem wie meinem Padrone retten zu lassen. Eigentlich! Siehst du! Ich bin und bleibe ein Eigentlich-Mann. So einen will keiner. Und wehleidig bin ich auch geworden.«
    »Ach was!« Mehr brachte Severin nicht zustande.
    »Was: ach? « Aldo sprühte immer noch vor Zorn.
    »Ich meine, gut, dass ich jetzt davon weiß. Und ich verstehe dich auch, glaub mir. Dein Vater hat dich manipuliert. Und das muss eine schreckliche Demütigung gewesen sein, dieses Allmachtsgehabe.«
    »Allerdings!«
    »Und ich wurde also gleich mit freigekauft? Sozusagen im Paket«
    »Sozusagen!«, knurrte Aldo.
    Schweigen trat ein. Der Nebel über dem See hatte sich aufgelöst. Ein schöner Tag kündigte sich an.
    »Was tun wir eigentlich, falls plötzlich der Clubwart auftaucht?«, durchbrach Severin nach einem Moment die Stille. »Soll ein ziemlicher Frühaufsteher sein.«
    »Hast du eben eigentlich gesagt? Ha!«
    »Fängst du schon wieder damit an?«
    » Eigentlich krieg ich echt die Krätze bei dem Wort. Es ist wie ein Brandmal. In alles, was ich bin und tue, ist es eingebrannt. Carla und ich haben es gut – zscht: eigentlich! Ich war mal gut auf der Gitarre – zscht: eigentlich! Haben wir es nun gut oder nicht? Haben wir es nur zu neunzig Prozent gut? Und was ist mit den restlichen zehn, verflucht! Warum sind es nie saubere hundert? Kennst du diese Kekse, diese Petits beurres , die dir immer ein wenig Süße

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